Crossing Europe - Dokus über Aufstieg starker Männer
Linz (APA) - Zwei starke Männer und zwei Journalisten, die sie bei ihrem Aufstieg begleiten - trotz des ähnlichen Settings sind die beiden D...
Linz (APA) - Zwei starke Männer und zwei Journalisten, die sie bei ihrem Aufstieg begleiten - trotz des ähnlichen Settings sind die beiden Dokumentarfilme „Premiere Campagne“ über den ersten Wahlkampfes des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und „Putin‘s Witnesses“ von Vitaly Mansky, die beide beim Crossing Europe in Linz zu sehen sind, höchst unterschiedlich ausgefallen.
„Premiere Campagne“ ist nicht der erwartete Blick hinter die Kulissen, wie der Titel vermuten lässt. Vielmehr ist es der Blick auf die Jungjournalistin Astrid Mezmorian, die als ersten Auftrag bei France Television zwei Monate Macron begleitete. Was folgt, ist ein kräftezehrendes Roadmovie für die sympathische Redakteurin, festgehalten von Regisseurin Audrey Gordon. Acht Wochen reiste Mezmorian dem Präsidentschaftskandidaten für die Wahl 2017 und dessen Tross hinterher, um ihm dann doch persönlich nie wirklich nahe zu kommen. Selten die Momente im Film, in denen sie dem Gründer der „En Marche“-Bewegung das Mikro unter die Nase halten kann. Und wenn es dann gelingt, bestätigt sich das, was ihm mittlerweile so manche nachsagen: Der damals 39-Jährige wirkt wenig volksnah, eher distinguiert, bisweilen elitär. Als er etwa von Mezmorian gefragt wird, ob auch er vorhabe, wie Napoleon mit 40 Jahren an die Macht zu kommen, lässt er die junge Frau mehr oder weniger stehen und meint nur kurz, nicht so wie Napoleon.
Wer also hofft, in der 70-minütigen Dokumentation etwas über die Person Macron und/oder seine politischen Inhalte zu erfahren, wird enttäuscht. Regisseurin Gordon vermittelt hingegen ein authentisches Bild von der Politredakteurin und ihrem Job. Wie sie vor Wahlveranstaltungen in den Hallen steht, Stimmungen einfängt und Anhänger um kurze Statements bittet. Wie sie es nicht schafft, einen O-Ton des Präsidentenanwärters zu erwischen, oder wie sie - im Gegenteil zu etablierten Innenpolitikredakteuren - als Newcomerin von Plätzen verwiesen wird. Ob dies für eine mehr als einstündige Dokumentation reicht, sei dahin gestellt.
Näher dran ist man in „Putin‘s Witnesses“: Als Boris Jelzin in der Silvesternacht 1999/2000 vorzeitig zurücktrat und das Amt des Präsidenten an Wladimir Putin übergab, war Regisseur Vitaly Mansky Doku-Chef eines staatlichen Senders. Er hatte exklusiven Zugang zu Putin und seinen damaligen Weggefährten. Von letzteren sind heute nicht mehr viele an Bord: Etliche haben sich mittlerweile der Opposition angeschlossen, manche starben, teils unter unklaren Umständen. Auch Mansky lebt mittlerweile im lettischen Exil. Aus seinem privaten Archiv gestaltete er eine filmische Collage über Putins erstes Jahr.
Putin war damals noch nicht offiziell gewählt, auf einen Wahlkampf verzichtete er aber. Er war dank seines Amtes ohnehin überall präsent, er brauchte keine Werbespots und begab sich nicht in die Niederungen der TV-Konfrontationen. Bombenanschläge mutmaßlicher tschetschenischer Terroristen verunsicherten das Land, plötzlich waren Militärstreifen in den Straßen zu sehen, der Ruf nach einem „starken Mann“ wurde laut - und dieser war zur Stelle.
Der Zuschauer sieht Putin, wie er seine ehemalige Lehrerin besucht und herzt, wie er nach erfolgreicher Wahl mit seinen Mitarbeitern anstößt, und sitzt ihm am Schreibtisch gegenüber, wenn er über Macht philosophiert. Man müsse Entscheidungen im Sinne des Staates treffen, egal, ob sie positive oder negative Reaktionen bei den Wählern auslösen, meint Putin, er müsse den Menschen aber erklären, was er warum getan habe. Anlass dieser Diskussion zwischen Masky und Putin ist, dass der Präsident die Hymne wieder mit der Melodie aus Sowjet-Zeiten versehen hat.
Beeindruckender sind allerdings jene Szenen, in denen man mit Boris Jelzin und seiner Familie bei Tee und Kuchen am Tisch sitzt. Als Jelzin gefragt wird: „Die haben die Hymne ohne Ihr Wissen geändert, oder?“, nickt er kaum merklich und man spürt seine Enttäuschung und, dass er sich seiner Entscheidung aus jener Silvesternacht - in der er strahlend verkündet hatte: „Wenn Putin gewählt wird, ist die Medienfreiheit garantiert!“ - nicht mehr so sicher war.
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