Tirol will die Wahlbeteiligung endlich steigern
Tirol und Europa haben seit dem EU-Beitritt eine spannungsgeladene Beziehung. Montagabend (19 Uhr) diskutieren Tirols Kandidaten für die Europawahl an der SoWi.
Innsbruck –Am ersten Mai-Wochenende startet der Europawahlkampf für den Urnengang am 26. Mai in seine heiße Phase. Auch in Tirol. Die Beziehungen zwischen Innsbruck und Brüssel sind jedoch nicht immer die einfachsten: Natur- und Umweltschutz, Berglandwirtschaft, Grund und Boden oder das Dauerthema Transitverkehr rücken übergeordnete europäische Themen oft in den Hintergrund. Die Hochschülerschaften an der Universität Innsbruck und am Managementcenter Innsbruck sowie das BürgerInnenforum Europa wollen deshalb bewusst einen zusätzlichen Akzent setzen:
Die von ihnen am kommenden Montag, 29. April, um 19 Uhr an der Innsbrucker Sozialwissenschaftlichen Fakultät (SoWi) organisierte Podiumsdiskussion soll den Blick nach Brüssel und wieder zurück weiten. Mit den Tiroler EU-Spitzenkandidaten für das Europäische Parlament will man nämlich „über den Tellerrand hinaus“ diskutieren. Die Ausgangssituation ist nämlich ein wenig bescheiden.
Bei der letzten Europawahl 2014 wies Tirol mit 35,4 Prozent die geringste Wahlbeteiligung aller Bundesländer auf. Die ÖVP wurde in Tirol mit 32,4 Prozent stärkste Partei, gefolgt von den Grünen (17,5 Prozent), den Freiheitlichen (17,4 Prozent) und den Sozialdemokraten (16,7 Prozent). Die NEOS erreichten 9,7 Prozent.
Die Fragen sind drängend, die Antworten oft wenig befriedigend: Gibt es derzeit zu viel oder zu wenig Europa? Wie sieht es mit der Mitbestimmung in der EU aus? Ist Innsbruck mehr als nur der Standort für ein EU-Ministertreffen? Wo spiegelt sich die Europäische Union in Innsbruck wider? Ist der Brexit, also der geplante Austritt Großbritanniens, erst der Anfang für ein Europa, das zu bröckeln beginnt? Bildungschancen, Jugend, Klimawandel, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Soziales oder die Möglichkeiten und Gefahren der Digitalisierung inklusive der heftig diskutierten Digitalsteuer sind zentrale Herausforderungen nicht nur in Österreich, sondern in Europa.
Die Tiroler Volkspartei rechnet sich diesmal Chancen aus, mit Wirtschaftskammervizepräsidentin Barbara Thaler eine Mandatarin im Europaparlament zu positionieren. Sie scheint auf Platz acht der ÖVP-Liste auf, für die ÖVP-Kandidaten zählt deshalb jede Stimme. Mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf hofft Thaler auf ein akzeptables Ergebnis. Es wird schwer, doch Thaler könnte in Etappen nachrücken: wenn die vor ihr gereihte Karoline Edtstadler vielleicht EU-Kommissarin wird und der eine oder andere Bewerber über kurz oder lang eine alternative (politische) Karriere einschlägt. Die ÖVP geht nämlich von sechs Sitzen im Europaparlament aus.
Zwar sind Brüssel und Straßburg für Thalers Mitbewerber wie Theresa Muigg (SPÖ), den Innsbrucker Gemeinderat Maximilian Kurz (FPÖ), LA Michael Mingler (Grüne) oder den ehemaligen Haller Stadtrat Johannes Margreiter (NEOS) wegen ihrer Listenplätze außer Reichweite: Doch in der ersten Bundeswahl nach der Nationalratswahl 2017 geht es auch für die Tiroler Parteidependancen um viel. Die SPÖ will aus der Abwärtsspirale herauskommen. Neo-Parteichef Georg Dornauer hat bereits die Devise ausgegeben, dass die SPÖ mit Theresa Muigg von allen Parteien in Tirol die höchsten Stimmenzuwächse erreichen möchte. Ein ambitioniertes Ziel.
Für FPÖ-Chef Markus Abwerzger ist die Vorgabe klar: Die Freiheitlichen wollen erneut vor der SPÖ bleiben, die Grünen überholen und hinter der ÖVP den zweiten Platz einnehmen. Die Grünen kämpfen darum, nach dem Desaster bei der Nationalratswahl 2017 endlich wieder aus der bundespolitischen Bedeutungslosigkeit herauszukommen. Ein wichtiger Beitrag für zumindest zwei EU-Mandate soll aus Tirol kommen.
Neben der Volkspartei präsentieren sich die NEOS als die Europapartei schlechthin. Bundesspitzenkandidatin Claudia Gamon überstrahlt alles, doch Johannes Margreiter gilt als erfahrener Kommunalpolitiker. Wie schon bei der Nationalratswahl möchte er diesmal pinke Europasterne in Tirol sprühen. (pn)