Wahl in Spanien: Sánchez auf der Überholspur
Ausgerechnet der Rechtsruck in Spanien könnte dem sozialdemokratischen Premier einen Wahlsieg bescheren. Doch reicht das auch, um eine stabile Regierung zu bilden?
Madrid –Noch vor einem Jahr hätte in Spanien wohl kaum jemand geglaubt, dass die Sozialisten im Parlament um die Hälfte zulegen und mit Abstand stärkste Kraft werden könnten. Doch Umfragen vor der Wahl am Sonntag lassen genau dieses Ergebnis erwarten. Parteichef und Premier Pedro Sánchez, der zuvor jahrelang glücklos geblieben war, steht nun als glänzender Stratege und Kommunikator da. Diese Fähigkeiten wird er auch brauchen, denn die Regierungsbildung in der (nach dem Brexit) viertgrößten Volkswirtschaft der Europäischen Union dürfte alles andere als einfach werden.
Erst im vorigen Juni hat Sánchez ein Misstrauensvotum organisiert, um den konservativen Premier Mariano Rajoy zu stürzen. Er beerbte Rajoy, doch seine Minderheitsregierung scheiterte nach wenigen Monaten am Haushalt, und Sánchez rief vorgezogene Neuwahlen aus.
Den jüngsten Aufstieg in den Umfragen verdankt er nach Ansicht von Experten vor allem seiner Rolle als Gegenpol zum Rechtsruck im Land. Bei der Regionalwahl in Andalusien erreichte die Rechtsaußen-Partei Vox von Santiago Abascal gleich elf Prozent und wurde zum Königsmacher. Laut Umfragen dürfte die Partei mit den offenen Reminiszenzen an die Franco-Diktatur auf nationaler Ebene ebenfalls ein zweistelliges Ergebnis einfahren.
Dahinter steht nicht zuletzt der Konflikt um die Abspaltungstendenzen in Katalonien. Schon der Dialog, den Sánchez mit den Separatisten begonnen hat, bedeutet für die Rechtsaußen-Partei einen Verrat an der Einheit Spaniens. Vox würde die Autonomie am liebsten ganz kippen. Dazu kommt scharfe Rhetorik gegen Einwanderung, auch wenn das Thema im Vergleich mit anderen EU-Ländern bisher eine Nebenrolle spielt.
Die konservative Volkspartei unter ihrem neuen Chef Pablo Casado und die rechtsliberalen Ciudadanos unter Albert Rivera sind zuletzt deutlich nach rechts gerückt, um die Wählerabwanderung zu Vox zu stoppen. Zugleich schlossen sie aber nicht aus, wie in Andalusien auch in Madrid mit Unterstützung der Rechtsaußen-Partei zu regieren.
Damit steht Sánchez nun als Hoffnungsträger all jener da, denen der Vormarsch der Rechten missfällt, darunter auch viele Wähler der moderaten Mitte. Die Linke hatte er zuvor bereits mit sozialpolitischen Maßnahmen geködert, etwa die Erhöhung von Mindestlohn und Pensionen.
Nebenbei spielt sich ein Kulturkampf ab. Gegen die Traditionalisten in der Volkspartei und bei Vox, die das Rad der Zeit am liebsten zurückdrehen würden, setzt Sánchez etwa auf die Besserstellung von Frauen, was auch in den TV-Spots der Sozialisten deutlich wird. In seine Regierung holte er mehr Frauen als Männer.
Doch selbst die günstigsten Umfragen sagen den Sozialisten keine Parlamentsmehrheit voraus – wahrscheinlich auch nicht gemeinsam mit der linkspopulistischen Partei Podemos, die gegenüber der letzten Wahl verlieren dürfte und sich bereits als Juniorpartner angeboten hat. Doch Spanien bleibt voraussichtlich auch nach dieser Wahl gespalten. Die erwarteten Kräfteverschiebungen spielen sich großteils innerhalb des linken und des rechten Lagers ab.
Sánchez könnte für die Regierungsbildung erneut auf die Unterstützung durch Regionalparteien angewiesen sein, darunter ausgerechnet die katalanischen Separatisten. Doch deren Hauptanliegen – ein legales Unabhängigkeitsreferendum – hat er bereits ausgeschlossen. Eine solche Regierungskonstellation dürfte instabil bleiben.
Eine andere Möglichkeit wäre eine lagerübergreifende Koalition mit den Rechtsliberalen. Auch in diesem Fall würde das Thema Katalonien weiter an seiner Regierung zerren, wenn auch von der Gegenseite. Bezeichnend: Kurz vor der Wahl hat Sánchez eine Zusammenarbeit mit den Ciudadanos nicht mehr ausgeschlossen. (floo, dpa, APA)