Spanien-Wahl - Vox Ante Portas
Almeria (APA) - Bei Spaniens Parlamentswahlen am Sonntag weiß Miguel Cortes sehr genau, wem er seine Stimme geben wird. Er würde sich zwar n...
Almeria (APA) - Bei Spaniens Parlamentswahlen am Sonntag weiß Miguel Cortes sehr genau, wem er seine Stimme geben wird. Er würde sich zwar nicht als rechtsextrem beschreiben. Früher wählte er immer die Konservative Volkspartei. „Doch derzeit ist Vox die einzige Partei, der ich zutraue, die Probleme in Spanien zu lösen“, versichert der 74-Jährige Pensionist im Gespräch mit der APA.
Miguel Cortes nippt dabei im Straßencafé Aire del Mar an der Strandpromenade von Adra an seinem Cafe con Leche. 25.000 Einwohner zählt das kleine Küstenstädten an der andalusischen Mittelmeerküste bei Almeria. Die meisten leben hier von der Landwirtschaft. Die Gewächshäuser ziehen sich hin bis El Ejido, Europas Gemüsegarten. Fast 30.000 Hektar ist das sonnenverwöhnte Gemüseanbaugebiet groß. Von hier aus werden auch Aldi, Rewe und Lidl mit Tomaten, Zucchini, Gurken, Melonen und Paprika beliefert. Vor allem Migranten aus Marokko, Tunesien und aus Subsahara-Afrika schuften hier für Hungerlöhne unter dem riesigen Meer aus Plastikplanen.
Das war schon immer so. „Die meisten Spanier wollen den anstrengenden Job nicht machen. Aber nun sind die Migranten zu einem Problem geworden. Es sind einfach zu viele - und zu viele Illegale“, versichert Cortes, der viele Jahre als Kapitän der Guardia Civil in El Ejido stationiert war. Die Zahl der illegalen Migranten hat tatsächlich zugenommen. Rund 58.000 registrierte Flüchtlinge sind 2018 über das Mittelmeer nach Spanien gekommen. Mehr als doppelt so viele wie 2017. Seit Italien Rettungsschiffe abweist und die Balkan-Route geschlossen wurde, probieren es immer mehr Menschen mit Schlauchbooten über die Westroute von Marokko nach Spanien. Die meisten landen an der Küste bei Almeria.
Der ehemalige Polizist hat nichts gegen Migranten, sagt er. „Aber die Migration muss reguliert werden. Die illegalen Flüchtlinge, die entweder keine Jobs finden oder ausgebeutet werden, sorgen bereits für Unsicherheit“, so Cortes im Gespräch mit der APA. Die Kriminalität sei eindeutig gestiegen. Dieser Meinung sind nicht wenige in El Ejido und den angrenzenden Küstendörfern in der Provinz Almeria. Und deshalb wächst die Zahl der Vox-Wähler hier so stark wie nirgendwo sonst in Spanien.
Die erst vor fünf Jahren gegründete Rechtspartei fordert die sofortige Abschiebung aller illegalen Migranten, will die spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla sogar im Donald Trump-Stil mit einer Mauer von Marokko abschotten. „Espana lo Primero“ - „Spanien zuerst“ lautet das Motto der Partei in Anlehnung an Trumps „America First“. Vox-Chef Santiago Abascal macht die illegalen Migranten direkt für den angeblichen Anstieg der Kriminalität in Spanien verantwortlich - obwohl offizielle Statistiken beiden Behauptungen widersprechen.
Doch die Strategie ging bisher auf. Bei den andalusischen Regionalwahlen Anfang Dezember konnte Vox erstmals in ein spanisches Regionalparlament einziehen. In El Ejido und anderen Provinzstädten wie Adra erreichte die rechtspopulistische Partei aus dem Stand bis zu 30 Prozent der Stimmen. Und der Siegeszug setzt sich in ganz Spanien fort. Bei den Parlamentswahlen dürfte Vox mit zwölf Prozent der Stimmen ins Nationalparlament einziehen. Einige Umfragen gehen sogar von bis zu 15 Prozent aus, womit Vox sogar die linkspopulistische Unidas Podemos-Bewegung von Pablo Iglesias als viertstärkste Fraktion ablösen könnten.
Mehr noch: Bei der voraussichtlichen Patt-Situation zwischen dem Links- und Rechtsblock könnten die Rechtspopulisten, die bisher nicht einmal im Parlament vertreten sind, sogar zum Zünglein an der Waage werden. Das passiert bereits Mitte Jänner in Andalusien, wo die Konservativen (PP) und die rechts-liberalen Ciudadanos dank Vox eine regierungsfähige Mehrheit bilden und die Sozialisten nach 36 Jahren aus der Macht verdrängen konnten.
„Die illegale Migration ist aber nur ein Grund, weshalb die Rechtspopulisten derart populär sind. Vor allem der Katalonien-Konflikt hat viele PP-Wähler in die Arme von Vox getrieben“, versichert Politikexperte Pablo Simon der APA. So auch Juan Antonio. Der 36-jährige Landwirt aus El Ejido ist enttäuscht von den Konservativen, vor allem vom ehemaligen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy: „Wie konnte Rajoy es zulassen, dass die katalanischen Separatisten überhaupt das Unabhängigkeitsreferendum durchziehen konnten? Rajoy hätte viel vehementer gegen diesen Staatsstreichversuch vorgehen müssen.“ Ihm gefalle zwar der Rechtsruck der Konservativen und die Einstellung des neuen PP-Chefs Pablo Casado. „Aber meiner Meinung nach verteidigt Vox derzeit am besten die Einheit Spaniens.“
Vox geht immer einen Schritt weiter als PP und Ciudadanos, die sich für eine dauerhafte Zwangsverwaltung Kataloniens aussprechen, sollte die separatistische Regionalregierung in Barcelona nicht endgültig die Unabhängigkeitsbemühungen beenden. Vox will sogar die separatistischen Parteien verbieten und das System der spanischen Autonomien komplett aufheben.
Das erinnert zwar ein wenig an die erst 1976 geendete Franco-Diktatur. Aber immer mehr Spanier scheinen sich im Zuge des Katalonien-Konflikts dafür zu begeistern, Spanien wieder zu einem Zentralstaat zu machen. „Wir haben jetzt 17 Regionalregierung, 17 Gesundheitssysteme. Ein Zentralstaat würde weniger Kosten, weniger Politiker und mehr Gleichheit zwischen den Spanier bedeuten“, meint auch Miguel Cortes.