Spanien-Wahl - Die Stunde der Rechten?
Madrid (APA/AFP) - Lange Zeit waren Rechtspopulisten auf der politischen Landkarte Spaniens nicht vertreten. Das änderte sich im Dezember be...
Madrid (APA/AFP) - Lange Zeit waren Rechtspopulisten auf der politischen Landkarte Spaniens nicht vertreten. Das änderte sich im Dezember bei den Regionalwahlen in Andalusien. Die rechtsextreme Partei Vox zog mit elf Prozent der Stimmen in das Regionalparlament ein. Seither mischt sie die spanische Politik kräftig auf. Bei der Parlamentswahl am Sonntag will Vox nun auch ins Parlament im Madrid einziehen.
Eine vergangene Woche veröffentlichte Umfrage sah die rechtsextreme Partei zuletzt bei rund zwölf Prozent. Die in Führung liegenden Sozialisten werden von den Rechtsextremen als „Feinde“ des Staates gebrandmarkt. Vox gebiert sich als Hüterin der nationalen Identität. Die Bereitschaft der Partei von Ministerpräsident Pedro Sánchez, mit den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern zu verhandeln, war für die Vox-Nationalisten ein absoluter Tabubruch, die Empörung groß.
Zwar bedienen die spanischen Rechtspopulisten wie ihre Gesinnungsgenossen in anderen europäischen Ländern auch die anderen üblichen Feindbilder: Sie stellen sich gegen Geschlechtergleichheit und Feminismus, sind gegen Abtreibung und die Homoehe und schüren Ängste vor Einwanderern. Aber in Spanien hat Vox ein Lieblingsthema: die Einheit und Identität des Landes.
Vox sei die „Antwort“ auf die Katalonienkrise des vergangenen Jahres, sagt der Herausgeber eines Essay-Bandes zu Vox, John Muller. Jorge del Palacia, Politologe an der König-Juan-Carlos-Universität, verweist auf einen interessanten Spiegeleffekt zwischen der linken Podemos-Partei und der Vox. 2015 habe die nun im Abschwung begriffene Podemos aus der Wirtschaftskrise und dem Unmut der Massen Nutzen ziehen können. „Jetzt kann Vox Kapital schlagen, weil es eine Identitätskrise gibt.“
Die Rechtsradikalen spielen dabei geschickt auf der medialen Klaviatur. Die traditionellen Medien meiden sie, oder sie werden von diesen gemieden. Erst kürzlich wurden Vox-Politiker von einer wichtigen Fernsehdebatte ausgeschlossen. Die zentrale Wahlkommission hatte zur Begründung darauf verwiesen, dass die Rechtsradikalen bei den letzten Parlamentswahlen 2016 nur 0,1 Prozent der Stimmen und kein Abgeordnetenmandat gewonnen hätten.
In den Online-Netzwerken sind sie dafür umso stärker. Parteichef Santiago Abascal orientiert sich mit seiner Kampagne an denen von US-Präsident Donald Trump und Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro. Außerdem nutzt Vox jede andere Bühne, die sich ihr bietet: Eine besondere bietet der Prozess gegen die Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.
Vox tritt in dem Prozess vor dem Obersten Gericht als „Popularankläger“ auf - eine Besonderheit im spanischen Strafprozessrecht. Diese erlaubt jedem Bürger und jeder Organisation, ein Strafverfahren anzustrengen und neben der Staatsanwaltschaft als Kläger aufzutreten - auch ohne von der mutmaßlichen Straftat direkt betroffen zu sein.
Für Vox eine einzigartige Gelegenheit, bei dem live im Fernsehen übertragenen Verfahren ihre rechtsextreme Ideologie zu verbreiten und sich als Hüterin der spanischen Identität zu präsentieren. So nimmt Vox ständig weit härtere Positionen ein als die Staatsanwaltschaft.
Die Rechtsextremen zielen aber nicht nur auf eine konservative Klientel, sondern auf Unzufriedene aller Couleur. Auch im Visier sind enttäuschte Linke, hart arbeitende Geringverdiener oder auch Arbeitslose.
Parteichef Abascal sagte im spanischen Rundfunk erst diese Woche: Vox habe es verstanden, „Hoffnung bei denen zu wecken, die sie verloren haben, die sich nicht repräsentiert fühlen“. Teile der Bevölkerung seien über eine lange Zeit „zum Schweigen gebracht“ worden. Die Vox-Wähler würden der Wahl am Sonntag ihren Stempel aufdrücken.