„Land in Sicht“: Meyerhoffs erstaunliche Hommage an Ignaz Kirchner

Wien (APA) - Ignaz Kirchner prägte über viele Jahre hinweg das Wiener Theater. Mit einer im besten Sinne unkonventionellen Hommage verneigte...

Wien (APA) - Ignaz Kirchner prägte über viele Jahre hinweg das Wiener Theater. Mit einer im besten Sinne unkonventionellen Hommage verneigte sich Burgschauspieler Joachim Meyerhoff am Freitagabend vor seinem im vergangenen Herbst 72-jährig verstorbenen Kollegen. Unter dem Titel „Land in Sicht“ kommt er im Akademietheater mit relativ wenig Rührseligkeit aus, dafür gibt es umso mehr Humor und etwas Zorn.

Ganze 280 „Klebebücher“ bilden den Ausgangspunkt für die Annäherung an seinen Freund, den er „nie privat getroffen“ hat, wie Meyerhoff am Beginn der rund dreistündigen Uraufführung erzählt. Kirchner, der von Claus Peymann 1987 ans Burgtheater geholt wurde und das Haus bis auf eine Unterbrechung seines Engagements in den 1990er Jahren stark mitprägte, hatte die Angewohnheit, Fotos aller Art und aus verschiedensten Quellen sowie Briefe in kleine Bücher zu kleben und Notizen hineinzuschreiben. Über 40 Jahre hinweg tat er das mit Akribie und vielfach ohne Ziel - wie es auf den ersten Blick erscheint.

Auf den umfassenden Blick in die erratisch anmutenden Quasi-Collagen muss aber erstmal gewartet werden, denn der auch für die Regie verantwortlich zeichnende Meyerhoff holt im ersten Teil des Abends zu einem für den Schauspieler und Erfolgsautor typischen Monolog aus. Während im Hintergrund Fabian Krüger und Mirco Kreibich durch geschickt mit dem vordergründigen Treiben verwobenes oft waghalsiges Handwerken für Unterbrechungen und Ablenkungen sorgen, legt Meyerhoff eindrucksvoll und temporeich dar, was ihn an Kirchners Persönlichkeit und Spiel in den Bann gezogen hat.

Gerade Kirchners lange Zusammenarbeit mit Gert Voss habe ihn nachhaltig geprägt: Die beiden hätten schauspielerisch „alles durchdrungen und trotzdem Spaß“ gehabt, so Meyerhoff. Fast beiläufig brennt er beim Ausbreiten von Erinnerungen ein veritables Anekdotenfeuerwerk über den Theaterbetrieb ab. Dieser hat Kirchner und Meyerhoff immer wieder auf und hinter der Bühne zusammengebracht - entgegen mancher Pläne aber nie in einem gemeinsam entwickelten Projekt.

Wehmut darüber kommt aber kaum auf. Nach dem Motto „Weiter, weiter“ geht der Blick immer auch nach vorne. Mit viel Hingabe und seinem großen Talent zum Geschichtenerzählen zeichnet Meyerhoff nicht nur ein nie umgesetztes „hyperaktives Märchen“, sondern vor allem ein facettenreiches Bild eines im positiven Sinn Zornigen, eines Zeitungs-, Sport- und mitunter auch Politikfanatikers und nicht zuletzt das Bild eines Schauspielers, der wirklich wissen wollte, „wie Menschen sind“.

Eben diese Forschungsarbeit leiste Kirchner in seinen „Klebebüchern“, auf die sich Meyerhoff im rund 100-minütigen ersten Teil des Abends bezieht, aber eben noch nicht zeigt. Das ändert sich nach der Pause: Die teils vergilbten Bücher sind dann auch der Mittel- sowie vordergründige Dreh- und Angelpunkt der von Jenny Schleif ausgestatteten Bühne.

Am vielschichtigen, meist skurril-grotesken, mitunter aber auch erschütternden Inhalt lässt man das Publikum mittels Overhead-Kamera teilhaben. Das hat dann auch etwas von einem schrulligen Diaabend, inklusive teilweisem Reenactment des Gesehenen. „Das wird sicher ein überraschendes Projekt“, hatte Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann Anfang des Jahres mit Blick auf „Land in Sicht“ sinniert. Recht hatte sie.

(S E R V I C E - „Land in Sicht“. Ein Projekt von Joachim Meyerhoff für Ignaz Kirchner. Mit Fabian Krüger, Joachim Meyerhoff, Mirco Kreibich, Regie: Joachim Meyerhoff, Bühne: Jenny Schleif, Musik: Philipp Quehenberger, Kostüme: Dagmar Bald. Akademietheater. Nächste Vorstellungen: 29. April, 6. Mai und 29. Mai. Karten: 01 / 513 1 513, www.burgtheater.at)