Nina Hartmann: „Mama meinte,‚bitte lern was G’scheits‘“
Unverblümt, frech und mit breitem Dialekt – Nina Hartmann bleibt nicht nur wegen ihrer Größe in Erinnerung. Früher arbeitete die Tirolerin als Kleiderständer, heute ist sie erfolgreiche Kabarettistin und erzählt, warum ihre eigene Mama sie oft nicht erkennt.
Sie haben sich 18-mal an Schauspielschulen beworben – ohne Erfolg –, wurden aber vom Fleck weg für eine Hauptrolle im Tatort engagiert. Wie kam es dazu?
Nina Hartmann: An staatlichen Schauspielschulen bewerben sich pro Jahr um die 1000 Leute und acht bis zehn werden genommen. Um die zu finden, gibt es Castingrunden, in denen ausgesiebt wird. Ich bin da immer recht weit gekommen, aber eben nie weit genug. Meist hieß es: „Du, werd’ besser Model.“ Ich war lange die Einzige, die geglaubt hat, dass ich meinen Traum verwirkliche.
Nicht mal Ihre Eltern waren zuversichtlich?
Hartmann: Mama meinte immer: „Lern was G’scheits.“ Sie war Kindergärtnerin und wollte für mich auch einen sicheren Beruf, wo ich fest angestellt bin. Ich ließ mich aber nicht unterkriegen und versuchte es direkt beim Theater. Die haben mich genommen – ich hatte sogar eine kleine Sprechrolle. Der Intendant wusste, dass für einen Tatort eine Tirolerin gesucht wurde und schlug mich vor. Also war ich beim Casting und wurde genommen. Obwohl ich keine Ahnung von der Materie hatte. Nach dem Tatort ging ich wieder zu einem Vorsprechen an einer Schauspielschule. Ich kam zu spät und hatte die Einstellung, dass mir die Schule eh völlig egal ist. Glatt wurde ich genommen ...
... aber nach einem Jahr wieder hinausgeworfen. Warum?
Hartmann: Ich bin mir in der Schule vorgekommen wie in einer Klapsmühle. Die arbeiteten dort nach dem „Method-Acting-Prinzip“ – sprich Emotionen aus der Kindheit, am liebsten schlimme, hervorkramen und die dann in die Rollen legen. Jede Woche ist ein anderer Mitschüler ausgeflippt, hat Stühle zerschlagen oder irgendwas demoliert. Das war nicht mein Zugang. Mir ist der Spaß vergangen und ich war froh, dass sie mich hinausgeworfen haben.
Eine andere Film-Erfahrung war eine Rolle im Hollywoodfilm „Mission Impossible 5“.
Hartmann: Das war lustig. Man denkt: „Wow, Hollywood klopft an. I did it.“ In Wirklichkeit waren wir zehn österreichische Schauspieler, die engagiert wurden, aber nur bessere Statisten waren. Manche kamen gar nicht zum Drehen. Es war verrückt, wir haben eine ganze Woche, jede Nacht, in der Staatsoper verbracht und waren auf „Stand-by“. Aber immerhin wurde ich auserwählt und durfte eine Sekunde im Bild sein.
Sie haben trotzdem davon profitiert, weil Sie die Erfahrung in eines Ihrer Kabaretts eingebaut haben. Basieren alle Programme auf realen Erlebnissen?
Hartmann: Total, ich dachte sofort, das ist „a super Gschicht“ für mein Programm. Das ist das Schöne an meinem Beruf, ich kann viel von dem, was ich erlebe, direkt verarbeiten. Auch wenn manche Dinge im Moment arg sind, kann ich es letztendlich immer brauchen und in was Lustiges umwandeln.
In „Gib dem Model Zucker“ nehmen Sie Ihre Modelkarriere aufs Korn. Warum hat Ihnen dieser Beruf keine Freude bereitet?
Hartmann: Modeln ist brutal oberflächlich. Man ist ein Kleiderständer, der keine Persönlichkeit haben soll, austauschbar ist und schlank sein muss. Ich esse einfach für mein Leben gern. Ein Kaugummi am Tag war mir dann einfach zu wenig.
Wie viel haben Sie gewogen?
Hartmann: 60 Kilo bei einer Größe von 183 Zentimetern. Einmal hatte ich Darmgrippe, war eine Woche völlig fertig, augemergelt und als ich ins Büro kam, meinte die Chefin: „Du schaust super aus!“ Kolleginnen von mir haben sich von Watte ernährt, die sie in Saft getränkt hatten. Eine hat Pizza bestellt, abgebissen, gekaut und sie wieder ausgespuckt.
Dabei liegt Schönheit im Auge des Betrachters.
Hartmann: Absolut. Dieses „Ideal“ gibt es nicht. Sogar bei Models werden Fotos retuschiert. Meine Mama hat mich einmal in einem Magazin, in dem ich abgebildet war, nicht gefunden. Sie dachte zuerst, sie hat das falsche Magazin gekauft, aber nein, sie hat mich einfach nicht erkannt, weil die Fotos so arg bearbeitet wurden.
Derzeit schreiben Sie Ihr erstes Drehbuch basierend auf Ihrem Kabarett „Match me if you can“. Dafür haben Sie sich auf der Flirt-App Tinder angemeldet. Wollen Sie so virtuell auch privat einen Mann kennen lernen?
Hartmann: Um Gottes willen, nein. Das hab’ ich mir wohl selbst ruiniert, weil ich das in meinem Stück verarsche. Ich kann mit niemandem ernsthaft chatten, da bin ich sofort wieder in meinem Stück. Abgesehen davon hänge ich doch an dieser romantischen Vorstellung, dass man sich im realen Leben begegnet, was spürt und sich verliebt. Tinder ist ein Nahversorgerangebot für Frischfleisch. Da geht’s zu wie am Fließband. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich beim Durchwischen Amors Pfeil trifft. Bis der seinen Pfeil gespannt hat, habe ich die App schon wieder gelöscht.
(Das Gespräch führte Judith Sam)