40 Prozent Unentschlossene bestimmen Spaniens neue Regierung

Madrid/Valencia (APA) - Die drohende Spaltung des Landes durch Kataloniens Separatisten, das Erstarken der Rechtsradikalen, die illegale Mig...

Madrid/Valencia (APA) - Die drohende Spaltung des Landes durch Kataloniens Separatisten, das Erstarken der Rechtsradikalen, die illegale Migration, der heftige Lagerkampf zwischen Rechts und Links - selten zuvor waren die Spanier vor einer Wahl so polarisiert, gespalten und vor allem unentschlossen wie bei den am Sonntag stattfindenden Parlamentswahlen.

Fast 40 Prozent der Spanier wissen laut Umfragen angeblich noch nicht, welcher Partei sie am Sonntag ihre Stimme geben. Da alle Umfragen auf ein Patt zwischen einem fast gleichstarken Links- und Rechtsblock hindeuten, wurde das Ende der Wahlkampagne in der Nacht auf Samstag von allen Parteien als letzter Versuch genutzt, Wähler zu mobilisieren.

„Der Sieg ist nahe. Aber jede Stimme zählt. Wählen Sie uns, um (Ministerpräsident Pedro, Anm.) Sanchez endlich aus der Moncloa (Sitz des Regierungschefs, Anm.) zu schmeißen“, bat der rechtsliberale Ciudadanos-Chef Albert Rivera. Je mehr Stimmen Spaniens sozialistischer Regierungschef bekomme, desto größer werde die Gefahr, dass er erneut mit den katalanischen Separatisten verhandelt, um weiterregieren zu können. „Sanchez ist eine öffentliche Gefahr für unser Land. Er bringt fahrlässig die Einheit Spaniens in Gefahr“, versicherte Rivera in Valencia bei seinem letzten Wahlkampfauftritt.

Wie Rivera spielte auch Spaniens konservativer Oppositionsführer Pablo Casado (PP), der in Madrid vor 10.000 Menschen auftrat, mit der Empörung vieler Spanier über die dialogbereite Katalonien-Politik der Sozialisten. Spaniens Parteien wollen die Ängste schüren, um Stimmen zu bekommen. So auch der sozialistische Spitzenkandidat Sanchez, der ebenfalls die spanische Mittelmeermetropole Valencia für das Kampagnenende wählte. In der gleichnamigen Region finden am Sonntag nämlich parallel zum nationalen Urnengang Regionalwahlen statt. Sanchez setzte dabei auf die Angst vieler Spanier vor dem Erstarken der Rechtsradikalen.

Die neue rechtspopulistische Partei Vox dürfte am Sonntag aus dem Stand bis zu 13 Prozent der Stimmen erhalten. „Und glauben sie mir. PP und Ciudadanos werden keine Sekunde zögern, die Rechtsextremen in die Regierung zu holen, wenn sie deren Stimmen brauchen“, warnte Sanchez in Valencia. Schon in Andalusien hätten sich die beiden Parteien Mitte Jänner an die ausländerfeindlichen Rechtsextremen verkauft, nur um die Sozialisten zu entmachten. „Sie paktieren mit dem Teufel, wenn es notwendig ist“, erklärte der amtierende Ministerpräsident. Sanchez und seinen Sozialisten macht vor allem die Favoritenrolle Sorgen. Sie befürchten, viele PSOE-Wähler könnten deswegen am Sonntag nicht wählen gehen.

Pablo Iglesias, Chef der linkspopulistischen Allianz Unidas Podemos, bediente sich zum Kampagnenende in der Nacht auf Samstag sogar der Fantasy-Serie Game of Thrones, um die Angst vor einer rechtskonservativen Regierungskoalition zu schüren. Bei Game of Thrones wie in Spanien kämpfe derzeit das Böse gegen das Gute. „Wir werden am Sonntag sehen, ob die weißen Wanderer oder wir, die Guten, gewinnen?“, verglich Iglesias Casado, Rivera und Vox-Chef Santiago Abascal mit den mythischen Kreaturen, die in der Filmserie in Westeros für Chaos, Krieg und Unruhe sorgen.

Tatsächlich bleibt abzuwarten, wer Spanien demnächst regiert. Mit 32 Prozent der Stimmen sind zwar die Sozialisten vom amtierenden Ministerpräsidenten Pedro Sanchez Wahlfavoriten. Doch der zu erwartende Einbruch der linken Koalitionspartner Unidas Podemos dürften zu einem Patt zwischen dem rechten Lager und dem Linksblock führen. Es wird ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Links und Rechts. Fest steht nur eines: Zum ersten Mal in der Geschichte der spanischen Demokratie wird es eine Regierungskoalition geben.

Bisher wechselten sich stets die Sozialisten und Konservativen in einem Zweiparteiensystem mit teils absoluten Mehrheiten an der Regierung ab. „Doch mit dem Aufkommen neuer Parteien wie Podemos, Ciudadanos und nun den Rechtspopulisten von Vox sind diese Zeiten endgültig vorbei“, bestätigt der spanische Politologe Pablo Simon im APA-Gespräch. Die Frage ist nur, welcher Block oder welche mehrheitsfähigen Koalitionen ab Montag gefunden werden. Die Sozialisten haben sich zumindest schon den Ciudadanos geöffnet, da man durch das geringe Gewicht der Linkspopulisten zu sehr von den katalanischen Separatistenparteien abhängig sein könnte.

Sanchez will verhindern, erneut mit den Separatisten verhandeln zu müssen. Er ist für eine dialogbereite Katalonien-Politik und will Zugeständnisse machen. Aber ein Unabhängigkeitsreferendum und die Loslösung der wirtschaftsstarken Region im Nordosten des Landes sind auch für ihn ein Tabu. Deshalb entzogen die Separatisten ihm Mitte Februar die notwendige parlamentarische Unterstützung und provozierten dadurch die vorgezogenen Neuwahlen am 28. April.