donaufestival: Zarte Bande, starke Knoten und große Stimmen

Krems (APA) - Wie verhalten wir uns in einem Raum, der frei, aber doch auch reglementiert ist? In dem wir mit Fremden einer Situation ausges...

Krems (APA) - Wie verhalten wir uns in einem Raum, der frei, aber doch auch reglementiert ist? In dem wir mit Fremden einer Situation ausgesetzt werden, die uns zur bewussten Wahrnehmung unserer Umgebung führt? Karin Pauer und Aldo Giannotti haben mit „this is where we draw the line“ ein Glanzstück des diesjährigen donaufestivals in Krems abgeliefert. Eine performative Erkundung von Grenzen und Verbindungen.

Die österreichische Choreografin und der italienische Zeichner belegen am ersten Festivalwochenende das Forum Frohner, das als White Cube den Rahmen für diese höchst eindrucksvolle Versuchsanordnung bildet: Während das Publikum den Raum betritt, ihn zaghaft erkundet, wird es von Pauer und ihrem Kollegen Arttu Palmio (beide haben einen Hintergrund bei Liquid Loft) begrüßt. Man fühlt sich willkommen, ist neugierig und ein bisschen ratlos. Doch schon bald werden Seile, geometrische Formen und Bewegungen für das nötige Narrativ sorgen.

Im Kern setzt „this is where we draw the line“ auf zwei Effekte: Einerseits werden mittels der Stricke und etlicher in die Wände geschlagener Nägel Kuben oder Pyramiden gebildet, die wiederum einen Bewegungsreiz für die beiden Tänzer liefern. Andererseits dürfen im weiteren Verlauf der rund zwei Stunden die Besucher selbst Hand anlegen und zarte Bande knüpfen oder starke Knoten bilden. Mit stets freundlicher Geste geben Pauer und Palmio mal diesem, dann jener ein Seil in die Hand, flüstern eine leise Anleitung (etwa „this is a strong connection which is about to break“) und schreiten weiter zum nächsten „Punkt“ ihres menschlichen Netzwerks.

Eine Form kann aber auch chaotisch sein, wenn die gezeichneten Seilstrukturen verändert werden oder in sich zusammenbrechen. Dann wird der Tanz von Pauer und Palmio noch eine Spur intensiver, direkter, schwirren die beiden zwischen den Betrachtern hin und her, um dann doch wieder Ordnung zu erlangen. Faszinierend ist dabei, wie stark mit der Zeit die Beziehungen in diesem Raum werden. Man ist Teil von etwas, fühlt sich einbezogen und verbunden. Nicht zuletzt trägt Paolo Montis einnehmender Livesoundtrack wesentlich zum Gelingen dieser Performance bei, die man zwar jederzeit betreten und verlassen könnte. Aber es wäre schade um jede Minute, die man verpasst.

Äußerst lohnenswert waren am Samstag auch die abendlichen Konzerte am Messegelände. Hier waren es besonders zwei Frauen, die bleibenden Eindruck hinterlassen haben: Holly Herndon stellte ihr neues Album „Proto“ erstmals live vor. Gemeinsam mit Mat Dryhurst am Laptop sowie einem vierköpfigen Chor wurde aus den mit einer künstlichen Intelligenz fabrizierten Stücken eine pulsierende, sich immer weiter steigernde Mischung aus artifiziellen Sounds und organischer Weite. Die Stimmen kamen mal als folkloristisch angehauchte Geisterbeschwörung daher, wurden dann aber wieder durch den Effektfleischwolf gedreht. Die Verbindung von Natürlichkeit und Technologie wurde zum wie selbstverständlich angenommenen kreativen Vehikel, das eine hypnotische Wirkung erzeugte.

Ähnliches ließ sich für Yasmine Dubois alias Lafawndah konstatieren, die kürzlich ihr überzeugendes Debüt „Ancestor Boy“ vorgelegt hat. Die ägyptisch-iranische Musikerin weiß um eine gute Inszenierung, wie ihr Auftritt im Stadtsaal deutlich machte: Anfangs mit dem Rücken zum Publikum positioniert und nur schemenhaft als mystisch anmutende Figur wahrnehmbar, steigerte sie die Intensität zusehends, ließ Artpop auf World Music treffen und harte Beats auf melancholische Melodien. Wie Lafawndah dabei von sperrigen zu eingängigen Abschnitten sprang, das Publikum mal mit keckem Blick ganz nah heranholte, um sich dann wieder entrückt in eine musikalische Trance fallen zu lassen, hatte definitiv seinen Reiz.

Welchen Reiz Steve Bannon auf US-Präsident Donald Trump ausgewirkt haben mag, kann man vielleicht nach dem Besuch der Ausstellung „A Propaganda Retrospective, Model“ besser nachvollziehen. Der rechtspopulistische Ex-Berater wird von Künstler Jonas Staal en détail analysiert, seine (für einige vielleicht überraschende) Anfänge in Hollywood oder beim Projekt Biosphere 2 in Beziehung gesetzt zu den immer deutlicher in Erscheinung tretenden Tendenzen, die ihn auch heute kennzeichnen.

Die drei ausführlichen Videostationen der Schau im Museum Krems jagen einem einen kalten Schauer über den Rücken, wenn man sieht, mit welcher Bildsprache Bannon seine Forderung nach einem starken Führer, nach einer weiß und christlich dominierten Gesellschaft an sein Publikum zu bringen sucht. So schmerzlich das Eintauchen in diese Welt sein mag, so wichtig ist es, sich diese Erzählungen in all ihrer extremen Verworrenheit vor Augen zu führen. Denn Trump ist keineswegs der einzige Rechtspopulist, der sich Bannons Methoden und Sprache bedient.

(S E R V I C E - www.donaufestival.at)

(B I L D A V I S O – Pressebilder stehen unter https://www.donaufestival.at/de/presse/presse-1 zum Download bereit.)