Ukraine: Bescheidene Hoffnung auf Selenskyj im Kloster von Potschajiw

Kiew (APA) - Das traditionsreiche Kloster von Potschajiw gilt als wichtigster Vorposten der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UPZ) des Moskauer ...

Kiew (APA) - Das traditionsreiche Kloster von Potschajiw gilt als wichtigster Vorposten der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UPZ) des Moskauer Patriarchats in der Westukraine und sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, ein Tummelplatz für Kreml-Agenten zu sein. Im Kloster selbst bestreitet man das, beklagt staatliche Schikanen und betont, keinesfalls der neuen ukrainischen Nationalkirche (PZU) beitreten zu wollen.

Nach der Überlieferung bereits im 13. Jahrhundert gegründet ist das Mariä-Entschlafens-Kloster von Potschajiw nach dem Kiewer Höhlenkloster nicht nur die zweitgrößte Klosteranlage der Ukraine, sondern gerade auch durch seine exponierte Lage besonders relevant: Potschajiw, dessen Mönche sich nach einer wechselhaften Geschichte nun stramm dem Moskauer Patriarchat zugehörig sehen, befindet sich im Nordwesten des westukrainischen Oblast Ternopil.

Letzterer gilt als Hort des ukrainischen Nationalismus, insbesondere die rechtsradikale „Swoboda“-Partei ist hier deutlich stärker als in den meisten anderen Regionen der Ukraine. Erkennbar ist dieser politische Kontrast auch im unmittelbaren Umfeld der auf einem Hügel gelegenen Klosteranlage: Gemeindeverantwortliche haben hier ausgerechnet Gedenktafeln für berüchtigte Nationalistenführer wie Roman Schuchewytsch oder Stepan Bandera errichtet, die auch Moskau-freundliche Gläubige daran erinnern würden, wer hier das Sagen hat.

Vor dem Ersten Weltkrieg lag das Kloster gerade noch im russischen Imperium - die Grenze zum österreichischen Galizien war jedoch keine 10 Kilometer weit entfernt. Im Weltkrieg wurden in Potschajiw propagandistische Flugblätter gedruckt, in denen die „galizischen Brüder“ zur Unterstützung Russlands aufgefordert wurden. Als k.u.k. Truppen den Grenzstreifen vorübergehend besetzten, verschleppten sie etwa 40 Geistliche. „Das ist ein unschönes Kapitel, über das wir nicht gerne reden“, erklärte der nunmehrige Pressesprecher des Klosters, Vater Gawriil, gegenüber der APA.

Viel hat Gawriil indes über aktuelle staatliche Schikanen zu erzählen, mit denen insbesondere seit November 2018 und parallel zur von Präsident Petro Poroschenko forcierten Schaffung einer neuen orthodoxen Nationalkirche Druck auf die mehr als 200 Mönche des Klosters ausgeübt wurde. Die Rede ist von Strafverfahren, einer mit dem Kloster befassten Kommission des Kulturministeriums, der auch ein Angehöriger des ukrainischen Geheimdiensts SBU angehörte, sowie einer Entscheidung des Justizministeriums, das ebenso Ende November vergangenen Jahres die Nutzungsrechte des formal im Staatsbesitz stehenden Areals für die Mönche wegen angeblicher Rechtswidrigkeit aufhob.

„Man versucht uns, Dingen zuzuschreiben, etwa, dass wir Agenten des Kreml oder des russischen Geheimdiensts FSB wären“, sagte er. Dabei sei die Verbindung zu Moskau nur eine kanonische und man erwähne den russischen Patriarchen Kirill in Gebeten. Was die Verwaltung betreffe, gebe es keine Beziehung des Klosters zur Kirche in Russland, betonte Gawriil.

Kategorisch schloss er einen Wechsel seines Klosters zur vom Patriarchen von Konstantinopel anerkannten Orthodoxen Kirche der Ukraine (PZU) aus, deren Gründung Anfang des Jahres zu einer historisch Spaltung innerhalb der internationalen Orthodoxie geführt hatte. Den Wechsel zahlreicher ukrainischer Gemeinden des Moskauer Patriarchats zur PZU sieht er nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit staatlichem Druck.

In Bezug auf Potschajiw unterstrich Gawriil den besonderen Widerstandsgeist seines Klosters, das nach einem polnischen Intermezzo in der Zwischenkriegszeit seit 1944 auf sowjetischem Territorium lag.

„Der KGB hat Mönche wie Staatsfeinde behandelt, sie sind auch teils drei bis vier Mal ins Gefängnis gegangen“, sagte er und erinnerte an antireligiöser Kampagnen unter Parteichef Nikita Chruschtschow. Damals seien viele Klöster in der Sowjetunion geschlossen worden, in Potschajiw hingegen habe das Gebet nie aufgehört, erzählte der Sprecher.

Gawriil verwies auch auf ein Buch von Wladimir Putins kolportiertem Beichtvater Tichon Schewkunow, der in einem seiner Bücher eine Kampagne in den damaligen westlichen „Feindsendern“ BBC und Radio Liberty während der Chruschtschow-Zeit beschrieb. Ende 2018 war in staatlich gelenkten russischen Medien eine Kampagne zu beobachten, in der ebenso von einer für Potschajiw die Rede war. Dass das Kloster vom Kreml instrumentalisiert werde, will der Pressesprecher jedoch nicht glauben. „Das kann nicht sein. Sie nehmen uns doch Kirchen weg und schreien dann, dass das eine Provokation Moskaus ist“, erklärte er.

Nachdem der russische Patriarch Kirill und der Metropolit Onufrij von der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats Wolodymyr Selenskyj zum Wahlsieg gratuliert habe, gratuliere nun auch das Kloster von Potschajiw, sagte der Sprecher. Die staatliche Maschine habe jedoch gegen das Kloster zu laufen begonnen und es gebe daher keine übertriebene Hoffnung auf einen guten Herrscher. „Wir beten nur zu Gott. Wenn Gott uns segnet und Hilfe von Menschen kommt, die an der Macht sind, dann Gott zum Ruhm“, erklärte der Mönch.

Erste Indizien, dass die Wahlen zu einer Veränderung der staatlichen Kirchenpolitik führen könnten, gibt es jedoch bereits. Am 22. April, einen Tag nach dem Wahlsieg Wolodymyr Selenskyjs, gab das Verwaltungsgericht von Kiew einem Antrag der Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats statt und erließ eine einstweilige Verfügung, die eine vom ukrainischen Kulturministerium verordneten Zwangsumtaufung untersagt. Nachdem die Werchowna Rada Ende 2018 ein diesbezügliches Gesetz beschlossen hatte, wollte das Kulturministerium die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats zwingen, sich in Russisch-Orthodoxe Kirche in der Ukraine umzubenennen. Die aktuelle Gerichtsentscheidung verhindert diesen Schritt einstweilen.

(Alternative Schreibweisen: Wladimir Selenski, Potschajew)