Mit neuer Gemeinsamkeit: CDU und CSU läuten EU-Wahlkampf ein

Berlin (APA/dpa) - „Lieber Markus“ und „lieber Paul“ nennen sie sich, sprechen von einem „starken Zeichen“, dass CDU und CSU gemeinsam auf d...

Berlin (APA/dpa) - „Lieber Markus“ und „lieber Paul“ nennen sie sich, sprechen von einem „starken Zeichen“, dass CDU und CSU gemeinsam auf der Bühne stehen und für Europas Errungenschaften werben. Wie ein launiges Moderatoren-Tandem auf einem Opernball begrüßen die beiden etwas überdreht wirkenden Generalsekretäre Markus Blume (CSU) und Paul Ziemiak (CDU) an diesem Samstagnachmittag hunderte Christdemokraten und einige weit gereiste Christsoziale im westfälischen Münster. Damit setzen sie den Ton für den offiziellen Wahlkampfauftakt der Union in diesem Europawahlkampf: Demonstrativ gemeinsam, demonstrativ für Europa.

Vier Wochen vor dem 26. Mai soll niemand mehr daran zweifeln, dass es nach dem Führungswechsel bei CDU und CSU eine neue Einigkeit gibt in der Unionsspitze. Gemeinsam wollen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder gute Stimmung verbreiten, werben für Europa. Und sie wollen deutlich machen, dass man die europäische Art zu Leben mit einem Kreuz bei CDU/CSU gegen Populismus von rechts wie links verteidigen müsse.

Dass die beiden Schwesterparteien erstmals bei dieser Europawahl mit einem gemeinsamen Programm auftreten, ist keine Selbstverständlichkeit. Nach jahrelangem Zerwürfnis der Unionsspitzen über Merkels Migrationspolitik wollen sie nun Geschlossenheit in der Europapolitik zur Schau stellen. Mit CSU-Chef Markus Söder als betont pro-europäischem Partner. Sein Amtsvorgänger Horst Seehofer hatte vor fünf Jahren versucht, mit europakritischen Tönen bei Brüssel-Skeptikern zu punkten und fuhr doch ein historisch schlechtes Ergebnis ein.

Dieses Mal soll alles anders werden: Mit CSU-Mann Manfred Weber als „Zugpferd“ und „Bindeglied“, wie Söder und Kramp-Karrenbauer ihn wiederholt nennen, setzt die Union auf einen Mann, der als Spitzenkandidat der europäischen Konservativen nächster Chef der EU-Kommission werden will. Seit einigen Tagen schon ist er auf Werbetour durch ganz Europa. Im Gepäck hat er seine „Garantie für die nächste Europäische Kommission“, zwölf Zusagen an seine Wähler in den Mitgliedsstaaten. Den Anfang machte er vor wenigen Tagen in Athen.

Es ist das Prinzip Gießkanne, mit dem Weber seinen Zusagenkatalog gefüllt hat: Er kündigt an, fünf Millionen neue Jobs schaffen zu wollen, junge Familien beim Bau des Eigenheims zu unterstützen und einen Fonds für abgehängte Fabrikarbeiter einzurichten. Er will sich für ein weltweites Verbot von Einwegplastik und von Kinderarbeit einsetzen, 1000 überflüssige EU-Gesetze abschaffen und seinen Masterplan gegen Krebs umsetzen. In Webers Zwölf-Punkte-Papier findet sich jeder wieder.

An diesem Samstag schreitet er Seite an Seite mit Kramp-Karrenbauer, gefolgt von Markus Söder und dem nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet durch die Reihen Werbekarton-schwenkender Anhänger. Statt der üblichen Grußworte und kämpferischer Reden im Akkord versucht sich die Union an einem aufgelockerten Format: Es geht zum Talk auf ein langes Sofa, das eher an die Gästecouch großer Samstagabendshows erinnert. Im Gespräch mit eifrig nickenden Profimoderatoren reden Laschet, Söder und Kramp-Karrenbauer nacheinander über das, was auch den Kern des Europaprogramms der Union ausmacht: Freiheit, Wohlstand, Frieden, Sicherheit. Diese Werte hat Europa historisch garantiert und diese Werte soll das Europa der Zukunft verteidigen - so das Credo dieses Europawahlkampfes im Plauderton.

Dann tritt Weber als angekündigter Höhepunkt des Nachmittags ans Rednerpult: Er beschwört Europa als Friedens- und Freiheitsprojekt, das auf christlichen Werten basiere, ein Europa, dass es gegen Populisten und Egoisten zu verteidigen gelte. Er wolle Optimismus statt Angst verbreiten, betont er, „geerdete Politik machen“, „nah bei den Menschen sein“. Kontroversen spart er aus - und fügt sich damit in das versöhnliche Bild, das die Union zeichnen will.

Doch so einfach ist es mit der neuen Gemeinschaft dann doch nicht. Kanzlerin Angela Merkel wird sehr wohl registriert haben, dass Weber gerade in der polnischen Zeitung „Polska Times“ gegen die deutsch-russische Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 gemeckert hatte. Polen ist einer der entschiedensten Gegner dieser Pipeline. Deutschland aber braucht Gas als alternativen Energieträger angesichts des Ausstiegs aus dem Atom in den nächsten Jahren und aus der Kohle. Merkel dürfte sich bestätigt gesehen haben, trotz Verärgerung Kramp-Karrenbauers nicht zu der Veranstaltung nach Münster gekommen zu sein. Neben Wahlkämpfer Weber hätte sie sich doch sehr auf die Zunge beißen müssen.