Genug Intrigantenstadl - Die FDP gibt sich geschlossen im Wahljahr
Berlin (APA/dpa) - Das war sicherlich kein leichter Gang. Die Kandidatin Nicola Beer wirkte äußerst angespannt, als sie zum Abschluss des Pa...
Berlin (APA/dpa) - Das war sicherlich kein leichter Gang. Die Kandidatin Nicola Beer wirkte äußerst angespannt, als sie zum Abschluss des Parteitages die deutschen Liberalen mit ihrer Rede auf die Europawahl in einem Monat einstimmen sollte. Mitreißend war die Rede nicht. Zugegeben, die mangelnde Aufmerksamkeit für sie mag ein bisschen auch daran gelegen sein, dass sich der Parteitag zuvor heftig über die künftige Frauenpolitik stritt.
Was war passiert? Beer hatte sich ihren Weggang nach Brüssel als Spitzenkandidatin damit entlohnen lassen, dass sie stellvertretende Parteivorsitzende wurde, obwohl sie qua Amt ohnehin dem FDP-Präsidium angehört hätte. Um sie in einer Kampfkandidatur nicht zu beschädigen, verzichtete die bisherige Stellvertreterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf eine Wiederwahl.
Strack-Zimmerman erhielt von den Delegierten dafür fast schon frenetischen Beifall, Beer wurde - nicht nur deswegen - mit einem Ergebnis von 58,5 Prozent regelrecht abgestraft. Und sie bekam auch noch einen eingeschenkt, als ihre Nachfolgerin als Generalsekretärin Linda Teuteberg mit fast 93 Prozent gefeiert wurde. Im Nachhinein, waren wohl viele Delegierte über sich selbst erschrocken, hieß es. Daher fiel der Schluss-Applaus für ihre Rede dann doch versöhnlicher aus.
Ist das nun die vielbeschworene runderneuerte FDP? Zumindest scheint sie hier durch. Die mehr als 600 Parteitagsdelegierten haben hier klar gemacht, dass sie insbesondere nach dem desaströsen Auftritt der Liberalen in der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013 und dem fast schon traumatischen Rauswurf aus dem deutschen Bundestag genug von jeglichem Intrigantenstadl haben.
Ja, sagt FDP-Vize Wolfgang Kubicki, in der FDP herrsche heute wieder wesentlich mehr Teamgeist. Die Partei habe begriffen, dass Intrigen keinen Erfolg brächten. Das gebe ihr inzwischen eine „große innere Souveränität“. Und das sei jetzt die Basis, auf der die neu gewählte Führungsspitze um Parteichef Christian Lindner aufbauen und die Liberalen in den nächsten zwei Jahren „bei 10 Prozent plus stabilisieren“ könne. Der Teamgeist ist aber wohl auch der Tatsache geschuldet, dass Lindner unumstritten ist und die Partei nach wie vor fest im Griff hat.
Lindner hat die Partei nun zwar thematisch breiter aufgestellt. Trotzdem tun sich den Liberalen schwer, ein durchschlagendes Thema zu finden. Die Konkurrenz von den Grünen dagegen hat Themen - und einen Sympathieträger, der, so die FDP, auch mal ungestraft über Enteignungen schwadronieren darf - Robert Habeck. Wie also mit deren Kernthema Klimaschutz umgehen? Marktwirtschaftlich. Nicht nur Verbote. Besserer Klimaschutz durch bessere Technologie, meint die FDP.
Das konnte in diesem emotionsgeladenen Thema nur Ärger bringen. Lindner fehle Empathie, hieß es wieder, als er den Jung-Aktivisten von „Fridays for Future“ widersprach. Und ob die Forderung des Parteitages nach Streichung des Enteignungsartikels 15 im Grundgesetz so schlau war, darf bezweifelt werden. Da eine Änderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich machen würde, könnte der besonders vom Parlamentarischen Geschäftsführer Marco Buschmann betriebene Schritt schnell als Symbolpolitik daherkommen.
Da war sie wieder, die Rede von der sozialen Kälte der Liberalen. Die Anfeindungen von außen setzten Lindner massiv zu. Und parteiintern stand er beim Thema Klimaschutz zwischen der Nachwuchsorganisation Julis und den nach wie vor vielen Konservativen in der FDP. Von daher waren die 86,6 Prozent Zustimmung auf dem Parteitag akzeptabel - und Linder danach wieder sichtlich lockerer. Die Partei sei mittlerweile soweit gefestigt, dass sie nicht gleich bei jedem Sturm wieder umfalle, hieß es.
Nun ist es für die FDP zwar wichtig klarzumachen, dass Umwelt- und Klimaschutz nicht nur grüne Themen sind. Aber letztlich verspricht der Wettbewerb mit der Ökopartei bei den bevorstehenden Wahlen in Europa und im Osten keine großen Stimmengewinne für die Liberalen. „Die haben zwar das gleiche Milieu, aber keine überlappende Wählerschaft“, hieß es im Parteivorstand.
Mehr zu holen ist bei der CDU. Und da kommt den Liberalen unverhofft das wiederentdeckte Thema Wirtschaftspolitik zu Hilfe. Angesichts des rückläufigen Wachstums erwartet Kubicki eine Rückbesinnung auf dieses klassische liberale Thema. Er sagte der dpa am Rande des Parteitages, die FDP müsse jetzt ihr Hauptaugenmerk darauf richten. Der Union hielt Kubicki vor, das im Osten gerade aufkeimende Milieu von kleinen Mittelständlern „völlig zu vernachlässigen“.
Das dürfte auf Altmaier zielen, der gerade sein Industriepolitikpapier vorgestellt hat. Er war auf dem Parteitag eigentlich der einzige, der von Lindner angegangen wurde, und das auch eher dosiert. Man müsse Altmaier gar nicht angreifen, heißt es. Das mache schon die Wirtschaft selber. Es sei ein einmaliger Vorgang, dass alle vier Wirtschaftsverbände öffentlich erklären, der Mann sei eine Katastrophe.
Warten bis die Union Stimmen verliert, wäre aber zu wenig. Zumal eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen für die Liberalen derzeit - wenn überhaupt - die einzig realistische Regierungsoption sowohl in Bremen als auch in den Ost-Ländern Brandenburg, Thüringen oder Sachsen wäre. Im Grunde müsse der FDP-Chef selbst gerade bei der Wirtschaft im Osten präsenter sein. Er habe das Thema leider noch nicht für sich entdeckt, heißt es in der Partei. Zumindest hat er mit seiner neuen Generalsekretärin Teuteberg aus Brandenburg schon mal einen Schritt Richtung Osten gemacht.