Innenpolitik

Türkis-Blau präsentiert Steuerreform: Was bisher bekannt ist

Symbolfoto.
© TT/Thomas Böhm

Am Tag vor dem Tag der Arbeit präsentiert die türkis-blaue Bundesregierung am Dienstag die lang erwarteten Details zur Steuerreform. Schon am Wochenende wurde bekannt, dass das Volumen um 2 auf 6,5 Milliarden Euro erhöht werden soll. Die Opposition übt bereits Kritik.

Wien — Am Dienstag um 10.30 Uhr werden Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache gemeinsam mit Finanzminister Hartwig Löger und Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs die Steuerreform der Öffentlichkeit präsentieren. TT.com überträgt die Pressekonferenz ab 10.30 Uhr live. Schon zuvor sickern immer weitere Details durch.

Neben der Lohn- und Einkommensteuer sollen auch die Unternehmenssteuern sinken. Dem Vernehmen nach ist nun eine Reduktion in zwei Schritten auf 21 Prozent geplant. Ebenfalls in zwei Etappen geplant: die Grenze für die Absetzbarkeit geringwertiger Wirtschaftsgüter soll auf 1000 Euro steigen. Bereits bekannt ist, dass die unteren drei Stufen der Lohn- und Einkommensteuer 2021 sinken sollen (von 25, 32 und 42 Prozent auf 20, 30 und 40). Zuvor gibt es 2020 eine Entlastung für Kleinverdiener bei den Sozialversicherungsbeiträgen sowie für Kleinunternehmer durch großzügigere Pauschalierungen.

Steuerfreie Ausschüttung an Arbeitnehmer

Dem Vernehmen nach sind auch Erleichterungen bei der Absetzbarkeit von Arbeitszimmern geplant sowie (in zwei Schritten) eine Ausweitung der Grenze für die Absetzung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 400 auf 1000 Euro.

Für größere Betriebe soll die Körperschaftsteuer (KöSt) auf Unternehmensgewinne sinken. Wobei sich die Regierung vom Plan eines nach Höhe des Gewinns gestaffelten Steuersatzes nach Protesten der Industrie wieder verabschiedet hat. Dem Vernehmen nach soll der Steuersatz stattdessen für alle sinken, dafür aber in zwei Schritten von 25 auf 23 und dann 21 Prozent. Außerdem geplant: die Möglichkeit für Unternehmen, bis zu zehn Prozent ihres Gewinnes steuerfrei an Mitarbeiter auszuschütten (maximal 3000 Euro pro Person und Jahr).

Zwei Milliarden mehr Volumen

Im Wahljahr 2022 soll die Steuerreform 6,5 Milliarden Euro kosten, also um zwei Milliarden Euro mehr als ursprünglich angekündigt. Finanzieren wollen ÖVP und FPÖ die Reform nach den bisherigen Plänen weitgehend ohne neue Steuern: 2,2 Milliarden Euro hat die Regierung im Finanzrahmen bereits für die Steuerreform eingeplant, auch der für 2022 eigentlich vorgesehene Budgetüberschuss fällt nun der Entlastung zum Opfer (stattdessen wird ein Nulldefizit angepeilt).

Der Rest auf die 6,5 Milliarden Euro soll durch zusätzliche Einsparungen hereinkommen. Im EU-Stabilitätsprogramm ist die Rede davon, dass die Ausgaben quer über alle Ressorts um ein Prozent sinken sollen. Außerdem hat die Koalition am Wochenende angekündigt, bei den Budgetverhandlungen im Sommer eine weitere Milliarden Euro einsparen zu wollen.

Die einzigen bisher bekannten Steuererhöhungen sind 200 Millionen Euro, die durch eine Online-Werbeabgabe sowie durch das Schließen von Steuerlücken bei der Einfuhrumsatzsteuer hereinkommen sollen („Digitalsteuer").

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Fast ohne Gegenfinanzierung

Die Koalition verweist beim Steuerreform-Vergleich gerne darauf, dass sie ihre Entlastung anders als frühere Regierungen ohne maßgebliche Gegenfinanzierung durch Steuererhöhungen sowie ohne neue Schulden umsetzen möchte. Die Steuererform 2015/16 wurde ja großteils durch zusätzliche Einnahmen finanziert, darunter die damals heftig umstrittene Registrierkassenpflicht und Steuern auf Vermögensgewinne. Der Regierung unter SP-Kanzler Werner Faymann bescherte das damals heftige Kritik.

Drei Viertel für Arbeitnehmer

Weiterer Unterschied zur letzten rot-schwarzen Steuerreform: Während damals das gesamte Entlastungsvolumen in die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer floss (5,4 Mrd. Euro), sollen diesmal auch die Unternehmenssteuern sinken. Dennoch werden nach Regierungsangaben 75 Prozent des Entlastungsvolumens auf die Lohn- und Einkommensteuer sowie niedrigere Sozialversicherungsbeiträge entfallen (5 Mrd. Euro bzw. 6,5 Mrd. Euro inklusive Familienbonus). Für die Unternehmen bleiben damit 1,5 Mrd. Euro. Und der eigentlich bis 2020 befristete Spitzensteuersatz von 55 Prozent ab einer Million Euro wird verlängert.

Kleinstverdienern mit einem Monatseinkommen von 500 Euro bringt die Reform laut Regierungsangaben 100 Euro pro Jahr, bei 1500 Euro steigt die Entlastung auf 500 Euro und bei 3500 Euro Monatseinkommen auf 1100 Euro jährlich. Für Spitzenverdiener macht die maximale Entlastung laut früheren Experten-Berechnungen 1580 Euro jährlich aus.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete die Arbeitnehmer in einer Aussendung am Montag als Hauptprofiteure der Reform: „Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen werden besonders profitieren." Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) spricht von einem "Meilenstein dieser Reformregierung".

Opposition nicht zufrieden: Kein "großer Wurf"

Anders sieht das die Opposition. JETZT-Klubchef Bruno Rossmann lobte in einer Aussendung am Montag zwar die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für Geringverdiener, vermisst aber eine echte Ökologisierung. NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn fehlt der große Wurf. Er nennt Bedingungen für die Festschreibung des Wirtschaftsstandorts in der Verfassung.

Schellhorn kritisiert, dass die Regierung ihre Steuerreform-Ideen seit dem Wochenende stückchenweise lanciert. "Das alleine lässt schon befürchten, dass der große Wurf einmal mehr ausbleiben wird", sagte Schellhorn am Montag. Außerdem erinnerte er daran, dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Wahlkampf eine Entlastung von 12 bis 14 Mrd. Euro versprochen hatte, nun aber 6,5 Mrd. Euro im Raum stehen.

Über die von der Regierung geforderte Verankerung des "Staatsziels Wirtschaft" in der Verfassung ist Schellhorn gesprächsbereit. Für die dafür nötige Zweidrittelmehrheit wäre die Koalition auf die Stimmen der NEOS angewiesen. Wichtiger als zehn Buchstaben in die Verfassung zu schreiben, wären aber sofortige Entlastungen für Unternehmen, findet Schellhorn. Er fordert daher die Abschaffung der "Kammerumlage 2" und die Senkung der Unfallversicherungsbeiträge.

Jetzt sieht "wenig Licht, aber viel Schatten"

Rossmann sieht in den Steuerreformplänen "wenig Licht, aber viel Schatten". Die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge sei eine langjährige Forderung, allerdings müsse das Geld den Krankenkassen ersetzt werden. "Das bemerkenswerteste an dieser Steuerreform ist aber ohnehin das, was fehlt. Eine echte Ökologisierung bleibt aus, Vermögen werden weiterhin geschont und die Treffsicherheit bei der dringend nötigen Entlastung der Arbeitseinkommen lässt zu wünschen übrig - die Tarifreform entlastet de facto alle bis zur Spitze", kritisierte Rossmann in einer Aussendung.

Wie Rossmann kritisiert auch die globalisierungskritische Organisation Attac die angekündigte Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) auf Unternehmensgewinne um 1,5 Mrd. Euro auf 21 Prozent. "Die Regierung heizt damit das ruinöse Steuerdumping in Europa weiter an, anstatt sich endlich für Mindeststeuersätze einzusetzen", kritisiert David Walch von Attac. Die Steuersätze seien binnen 30 Jahren halbiert worden. Wird diese Politik fortgesetzt, dann werden Konzerngewinne in 20 Jahren überhaupt nicht mehr besteuert." (TT.com, APA)

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