Rückkehr nach 29 Jahren: „Macbeth“-Adaption von Bausch in Wuppertal
Wuppertal (APA/dpa) - Immer wieder huscht der Blick hin und her, zwischen erleuchteter Bühne und Bildschirm im leeren Zuschauerraum der Oper...
Wuppertal (APA/dpa) - Immer wieder huscht der Blick hin und her, zwischen erleuchteter Bühne und Bildschirm im leeren Zuschauerraum der Oper in Wuppertal. Während der Probe vergleicht Josephine Ann Endicott jede Position mit dem Video. Das Stück soll gespielt werden wie 1978, als Pina Bausch es geschaffen hat - ihre Version von „Macbeth“. Am Freitag wird es erstmals seit 29 Jahren wieder gezeigt.
Der ungewöhnliche und lange Titel der Adaption ist eine Regieanweisung Shakespeares: „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“. Auf der Bühne steht nun nicht mehr Mechthild Großmann, die bärbeißige Staatsanwältin aus dem Münster-“Tatort“, sondern Johanna Wokalek, bekannt unter anderem aus dem Historiendrama „Die Päpstin“. Auch Josephine Ann Endicott spielt nicht mehr mit: Die zierliche 69-jährige frühere Tänzerin leitet die Proben der Neueinstudierung.
Gerade dieses eine der 44 Stücke von Pina Bausch wird kurz vor ihrem zehnten Todestag am 30. Juni aufgeführt. Die Neueinstudierung sei „ein großer Herzenswunsch des Ensembles“ und der Höhepunkt der 45. Spielzeit, erklärte das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch. Es entstand vor 41 Jahren in Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, dessen damaliger Intendant Peter Zadek die Choreografin einlud, ihre Version von „Macbeth“ zu entwickeln.
Da nicht nur Tänzer, sondern auch Schauspieler mitwirkten, konnte Bausch nicht wie sonst mit einer Choreographie arbeiten und fand einen neuen Ansatz: Sie stellte den Darstellern assoziative Fragen zum Thema der Tragödie. Die Antworten sind im Stück collagenhaft verarbeitet: Erwachsene prügeln sich um Spielzeug wie Kinder, der vielfache, reflexhaft beantwortete Gruß „Guten Morgen“ kann zur Tortur werden und neun Schauspieler wälzen sich, von schlechten Träumen geplagt, eine halbe Ewigkeit im Schlaf am Boden. Die Darsteller sprechen kaum, aber abschnittweise wird der „Macbeth“-Stoff von Königsmord und Schuld erzählt.
Bei der Uraufführung 1978 bekam das Publikum, darunter die gerade in Bochum tagende Shakespeare-Gesellschaft-West, nicht die erwartete klassische Aufführung zu sehen und tobte. Endicott erinnert sich: „Das war fast ein Skandal.“ Nach einer halben Stunde war es ihr unerträglich, weiterzuspielen. „Ich bin dann aufgestanden und habe gesagt: ‚Wenn ihr nicht mögt, was wir spielen, dann geht nach Hause.‘“ Als Endicott wieder auf die Bühne kam, donnerte der Applaus.
Der Aufwand der Neueinstudierung ist immens. Seit dem 9. April wird mit allen Darstellern geprobt, zuerst wie zu Bauschs Lebzeiten in einem ehemaligen Kino, dann in der Oper. Davor hatte jeder Darsteller Einzelproben, um ein Gefühl für das ungewöhnliche Stück zu bekommen. Das Bühnenbild musste komplett nachgebaut werden. Einige Männerkostüme waren in der Zwischenzeit von Motten zerfressen. Immerhin konnten manche Möbel des heruntergekommenen Salons wieder verwendet werden.
Bei der Neueinstudierung helfen die Erinnerungen der ersten Mitwirkenden - dazu gehört auch der Burg-Schauspieler Hans Dieter Knebel - und Probennotizen, Videos sowie das Regiebuch von einst. „Man muss ein Auge auf alles haben“, sagt Endicott. Für sie steht fest: „Dieses alte Stück von Pina hat große emotionale Elemente.“
(S E R V I C E - www.pina-bausch.de)