Barrierefreiheit: Architekten wechselten die Perspektive
„Die Behindertengerechtigkeit wird viel zu wenig berücksichtigt. Das ist nicht nur für Menschen im Rollstuhl wichtig, sondern auch für all j...
„Die Behindertengerechtigkeit wird viel zu wenig berücksichtigt. Das ist nicht nur für Menschen im Rollstuhl wichtig, sondern auch für all jene, die beispielsweise auf einen Rollator angewiesen sind“, meint Bernhard Gruber, der seit einem Arbeitsunfall vor dreieinhalb Jahren selbst im Rollstuhl sitzt.
Gruber ist seit Oktober 2017 beim Reuttener Architekturbüro Walch und Partner für die Projektbetreuung, Bautechnik und Ausschreibung zuständig, überprüft die Planungen hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit und ist inzwischen auch Gerichtssachverständiger.
Um seine Chefs und Kollegen für das Thema zu sensibilisieren und ihnen praxisnah die Notwendigkeit einer barrierefreien und behindertengerechten Umwelt und Infrastruktur zu verdeutlichen, initiierte er eine Exkursion nach Bad Häring, die er gemeinsam mit dem Leiter des Reha-Zentrums, Primarius Burkhart Huber, organisierte.
Und dort sollten sich für die neunköpfige Gruppe aus dem Außerfern ganz neue Perspektiven eröffnen — nicht nur beim kräftezehrenden Bewältigen von Steigungen und Schräglagen im Rollstuhl. „Wir haben ein Gefühl dafür bekommen, dass kleine Dinge große Auswirkungen haben“, erzählt Thomas Strele, Miteigentümer des Architekturbüros. Dabei gehe es nicht nur um bekannte Barrieren wie Türschwellen, zu geringe Türbreiten oder fehlende Bewegungsflächen. Strele: „Wir konnten auch Pflegebehelfe in Aktion sehen und uns ein Bild davon machen, wie viel Platz gebraucht wird, damit so ein Gerät auch ordentlich funktioniert.“
Schon jetzt würde bei Planungen berücksichtigt, wie im Ernstfall möglichst einfach umgebaut werden kann. Gruber: „Aber auch für den Tourismus wird das Thema immer wichtiger, gerade bei großen Hotels. Die Entwicklung in der Reisetätigkeit von Behinderten ist nicht zu unterschätzen.“ Stark hinterher hinke man jedoch im innerörtlichen Freibereich.
Gruber ist durch seine Expertise aus dem Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Strele: „Wir können die Kollegen nur animieren, solche Fachleute anzustellen.“ (Simone Tschol)