Gewaltschutzpaket

Regierung verschärft Strafen bei Gewalt und will Opfer stärken

Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bei der erneuten Präsentation des Gewaltschutzpakets.
© APA/HERBERT PFARRHOFER

Bei Sexualdelikten bzw. Gewalt gegen Frauen und Kinder will die Regierung höhere Strafen verhängen. So soll etwa bei Vergewaltigung die Mindeststrafe von einem auf zwei Jahre erhöht werden.

Wien — Die Regierung hat am Montag das Gewaltschutz-Paket präsentiert, das am Mittwoch in Begutachtung geschickt werden soll. Staatssekretärin Karoline Edtstadler, Justizminister Josef Moser (beide ÖVP) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) lobten unisono die „gute ressortübergreifende Zusammenarbeit".

Laut Edtstadler werden mit den vorliegenden Entwürfen 24 Gesetze geändert, darunter etwa das Allgemeinbürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch oder das Sicherheitspolizeigesetz, aber auch andere Materien wie das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz oder aber auch Materien, die Gesundheitsberufe betreffen. Am Mittwoch startet die sechswöchige Begutachtungsfrist, in Kraft treten soll das Paket mit 1. Jänner 2020.

Edstadler: „Null Toleranz" gegenüber Tätern

Insgesamt sei es darum gegangen „null Toleranz" den Tätern gegenüber zu zeigen, und den Opferschutz zu erhöhen, so die Innenstaatssekretärin. Etwa soll dadurch auch dem Phänomen Genitalverstümmelung Einhalt geboten werden, indem man die Meldepflicht für Personal im Gesundheitswesen ausweitet. Auch im Ärztegesetz soll die Verschwiegenheit in manchen Bereichen gelockert werden, beispielsweise für einschreitende Notärzte. Mediziner, zu denen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht wie etwa Hausärzte oder Gynäkologen, sollen davon aber nicht betroffen sein.

Auch sollen die Opfer besser geschützt werden, indem künftig nicht nur die Namensänderung erleichtert, sondern auch die Sozialversicherungsnummer geändert werden könne. „Wir haben nämlich die Erfahrung gemacht, dass Opfer dadurch noch immer ausgeforscht werden können", sagte Edtstadler.

Annäherungsverbot soll Kontakt erschweren

Kickl erinnerte an die „Vielzahl von tragischen und dramatischen Ereignissen" im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen. Daher gehe man mit dem Paket im Opferschutz und im Bereich der Täterarbeit neue Wege. Diesbezüglich verwies er etwa auf das Betretungsverbot, das entsprechend ausgeweitet werden und zukünftig unter „Annäherungsverbot" firmieren soll. Täter sollen sich Opfern nicht mehr näher als 50 Meter nähern dürfen, so Kickl.

Zudem würden die Strafen bei Nichtbeachtung erhöht, im Wiederholungsfall führt dies zu einer Geldstrafe von bis zu 5000 Euro bzw. zu einer Freiheitsstrafe. Auch soll es, „um die Eskalationsspirale möglichst frühzeitig zu durchbrechen", eine verpflichtende Gewaltpräventionstherapie geben. Insgesamt sei es ein „erfreulicher Tag und ein erfreuliches Paket", betonte er. Ferner gab sich Kickl zuversichtlich, den Zeitplan einhalten zu könne

Auch Moser lobt Paket für „Augenmaß"

„Sehr viel Augenmaß" sah Moser in dem Paket. Es sei nicht nur zu einer Verschärfung des Strafrechts gekommen, sondern auch die Opferrechte gestärkt und die Täterarbeit ausgeweitet worden. „Nur in diesem Dreiklang können wir Sicherheit bieten und die Opfer schützen." Hervor hob Moser etwa, dass die Verjährungsfrist im zivilgesetzlichen Bereich an jene im Strafrecht angepasst werde. Auch würden im Jugendstrafrecht junge Erwachsene Erwachsenen gleichgestellt, wenn sie Straftaten begehen, die besonders verwerflich sind und der Strafrahmen mehr als fünf Jahren beträgt.

Auch die Erhöhung der Mindeststrafe bei Vergewaltigung von einem auf zwei Jahre verteidigte Moser. Damit habe man den Rahmen dem Niveau von Deutschland oder Schweden angepasst. Diese Nachbesserung habe auch Unterstützung der eingebundenen Experten erhalten, sagte Moser, so wie auch jene, dass sich bei Rückfalltätern das Strafmaß um 50 Prozent erhöhe. Oder auch, dass es einen Erschwernisgrund darstelle, wenn ein Opfer durch die Tat nachhaltige psychische Schäden erleide.

Kickl unterstützt Forderung nach Ressourcen für Justiz

Um die Rechtsstaatlichkeit zu sichern, müssten aber die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden und die neuen Aufgaben finanziell abgegolten werden, so Moser, der diesbezüglich Unterstützung von Kickl erhielt. Die Strafverfolgung sei ein Miteinander, erklärte der Innenminister. Die oftmals akribische Polizeiarbeit müsse dann einen entsprechenden Abschluss finden: „Die Justiz macht den Sack zu." Dafür benötige es die entsprechenden Ressourcen.

Dass die Präsentation just in der Schlussphase des laufenden EU-Wahlkampfes erfolge, begründete Edtstadler damit, dass ihr die Taskforce ein „besonderes Anliegen" sei. „Mir ist von Anfang an wichtig gewesen, es rasch voranzutreiben." Zudem habe sie diese noch vor ihrem möglichen Wechsel ins EU-Parlament in Begutachtung schicken wollen. Mit einer Bühne im Wahlkampf für sie habe das freilich nichts zu tun. (APA)

Die Maßnahmen im Detail

Der Beschluss im Nationalrat ist für den Herbst angepeilt. In Kraft treten sollen die Maßnahmen dann per 1. Jänner 2020. Insgesamt werden 24 Gesetze geändert.

Viele der mehr als 50 Maßnahmen entspringen der vor mehr als einem Jahr eingesetzten „Task Force Strafrecht". Einiges — etwa die Mindeststrafenerhöhung und der Ausschluss von bedingter Strafnachsicht bei Vergewaltigungen — geht aber über die von den Experten verfassten Reformvorschläge hinaus und sorgte dementsprechend für Kritik auf Juristenseite, aber auch von Frauenorganisationen.

Konkret wird bei Vergewaltigung die Mindeststrafe von einem auf zwei Jahre erhöht und damit eine gänzliche Strafnachsicht ausgeschlossen. Der Stalking-Paragraf wird erweitert, fortgesetzte Gewaltausübung strenger bestraft. Für Rückfalltäter werden in bestimmten Bereichen die Höchststrafen um die Hälfte erhöht, und Mindeststrafen werden eingeführt bzw. erhöht.

Schwere Traumatisierung gilt bei Gewalt- und Sexualdelikten nach den Regierungsplänen künftig als Erschwerungsgrund, ebenso wie Taten von Volljährigen gegen Minderjährige oder gegen Angehörige. Rechtskräftig verurteilte Sexualtäter gegen Minderjährige oder wehrlose Personen erhalten ein lebenslanges Tätigkeitsverbot in diesem Bereich. Herabgesetzte Strafrahmen für junge Erwachsene werden gestrichen.

Im Bereich des Opferschutzes werden die Wegweisung samt Betretungsverbot für die Gewalttäter neu geregelt, es wird ein Annäherungsverbot auf 50 Meter verankert. Bei den Frauenhäusern soll ein Wechsel in ein anderes Bundesland möglich sein, und der Opfernotruf soll durch eine dreistellige Telefonnummer einfacher werden. Für Übergangswohnungen in den Ländern wird der Bund Geld zur Verfügung stellen.

Als Lehre etwa aus dem Fall Brunnenmarkt will man Gerichte und Sicherheitsbehörden besser vernetzen. Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsverpflichtungen sollen vor allem im medizinischen Bereich gelockert werden, Anzeige- und Meldepflichten vereinheitlicht. Die im Vorjahr abgeschafften Fallkonferenzen mit Justiz und Interventionsstellen soll es künftig wieder geben, unter Leitung der Polizei und auf rechtlicher Basis.

Fix verankern will die Regierung auch die Täterarbeit. Es soll bundesweit Gewaltinterventionszentren (GIZ) geben, von denen sich Täter verpflichtend betreuen lassen müssen.

Weitere Maßnahmen betreffen die Prävention von weiblicher Genitalverstümmelung und von Gewalt im Namen der Ehre. Hier soll etwa auch die Möglichkeit zur Änderung der Sozialversicherungsnummer geschaffen werden, um den Opfern zu ermöglichen, ein neues Leben zu beginnen.