EU-Treffen zu Krise im Sahel - Aufbau von Eingreiftruppe stockt
Berlin (APA/Reuters) - Im Sahel stehen die Zeichen nach Jahren der relativen Ruhe wieder auf Krise: Trotz der Stationierung Tausender westli...
Berlin (APA/Reuters) - Im Sahel stehen die Zeichen nach Jahren der relativen Ruhe wieder auf Krise: Trotz der Stationierung Tausender westlicher und UN-Soldaten in der Region verschlechtert sich die Sicherheitslage. Im Schlüsselstaat Mali haben sich die militanten Islamisten nach der französischen Militärintervention 2013 neu aufgestellt und weiten ihre Anschläge zunehmend auf die Nachbarländer Burkina Faso und Niger aus.
Zugleich stockt der Aufbau der einheimischen Eingreiftruppe G5 (Burkina Faso, Mali, Niger, Mauretanien, Tschad), die künftig selbst für Stabilität im Sahel sorgen soll. Sollte die Sicherheitslage dort aber kippen, fürchtet die EU auch für Europa einen Anstieg von Migration und Terrorgefahr. Am Dienstag treffen sich die Verteidigungs- und Außenminister der EU mit ihren afrikanischen Kollegen in Brüssel, um wieder Schwung in den Aufbau der G5-Truppe zu bringen.
Weshalb es mit der 5000 Soldaten starken Truppe, für deren Gründung sich vor allem Frankreich und Deutschland starkmachten, seit Monaten nicht vorangeht, ist zwischen Afrikanern und Europäern umstritten. Dabei sollte eigentlich ausreichend Geld vorhanden sein: 414 Millionen Euro sagten die Europäer, USA, Saudi-Arabien und andere Länder den fünf Sahelstaaten Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad und Mauretanien bei einer Geberkonferenz vor einem Jahr in Brüssel zu. Abgerufen werden die Finanzzusagen in Form von Sachleistungen: Die G5 schicken eine Bedarfsliste nach Brüssel, die Geberländer geben dazu Angebote ab. Über eine Koordinierungsstelle wird beides miteinander abgeglichen und in Projekte umgewandelt - etwa die Lieferung von Lastwagen an einen G5-Staat durch ein Geberland. Direkte Zahlungen an die Sahelländer sind nicht vorgesehen, um zu vermeiden, dass Geld zweckentfremdet wird.
Eigentlich sollte die G5-Truppe bereits vor einem Jahr voll einsatzfähig sein, dies gelang jedoch bis heute nicht. Seit ihrer Gründung 2017 hat sie elf Operationen absolviert, alle gemeinsam mit Soldaten der 4500 Mann starken französischen Anti-Terror-Truppe Barkhane. Deutschland hat seinerseits über 1000 Soldaten als Teil der UN-Friedenstruppe MINUSMA und eines EU-Ausbildungseinsatzes in Mali stationiert. Österreich, das am 4. Juni das Kommando der EU-Trainingsmission für malische Streitkräfte (EU) übernimmt, beteiligt sich mit drei Soldaten an MINUSMA. Barkhane und MINUSMA dürfen die G5 unterstützen, haben aber keinen Kampfauftrag.
Politiker aus den Sahelstaaten geben vor allem den Europäern die Schuld am schleppenden Aufbau der G5-Truppe: Die Bürokratie in Brüssel verhindere eine rasche Verteilung der zugesagten Gelder, kritisieren sie. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich unzufrieden. Nur knapp die Hälfte der zugesagten Gelder sei ausgegeben oder in Projekte umgewandelt, bemängelte er im November und forderte: „Die Hilfsmaßnahmen und der Finanzierungsmechanismus müssen überprüft werden.“
In EU-Kreisen sorgen die Vorwürfe aus den Sahelstaaten für Unmut. Als Hauptproblem gilt hier das mangelnde Engagement der Afrikaner, die meist nicht einmal zu den Treffen in Brüssel erschienen, bei denen über die Verteilung der Gelder beraten wird. Besonders in der Kritik steht der neue Kommandant der G5, der sein Amt im September antrat. „Er war noch nie da“, heißt es frustriert in EU-Kreisen. Auch Bedarfslisten liefere er nicht, was es schwierig mache, frische Projekte überhaupt anzuschieben. „Wir warten seit Monaten vergeblich auf neue Anforderungen. Wir haben den Eindruck, dass es mit der Kommunikation innerhalb der G5 hapert.“ Zudem steuerten die Sahelstaaten den versprochenen Eigenanteil nicht bei. „Die G5 haben 50 Millionen Euro insgesamt zugesagt, davon ist noch nichts geflossen.“
Auch Saudi-Arabien als größter Einzelgeber ließ nach Angaben aus EU-Kreisen seiner Zusage von 100 Millionen Euro bisher keine Taten folgen. Die USA als zweitgrößter Geber dagegen haben wie versprochen für 95 Millionen Euro Vorhaben angestoßen. Von den 85 Millionen Euro aus einem EU-Topf steckt immerhin knapp die Hälfte in der Umsetzung, Projekte für acht Millionen wurden abgeschlossen. Die zwölf und elf Millionen Euro aus Deutschland und Frankreich sind bereits weitgehend aufgebraucht.
Doch die Zeit drängt. In Zentralmali erstarken nicht nur die radikalen Islamisten, auch Kämpfe zwischen den Volksgruppen dort nehmen zu. Niger hat gleich drei Problemgrenzen: Von Mali drängen Extremisten ins Land, in der Tschadseeregion im Südosten ist die Islamisten-Miliz Boko Haram wieder auf dem Vormarsch, und im Norden kommen aus Libyen Waffen und Extremisten ins Land. Für weitere Unsicherheit sorgt die Entwicklung in Algerien, dessen Zukunft inmitten andauernder Proteste nach dem Rücktritt von Präsident Abdelaziz Bouteflika unklar ist. Das Land hat traditionell großen Einfluss in der Region und trug maßgeblich zum Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen in Mali bei.
In dieser Gemengelage wollen die EU-Minister ihren afrikanischen Kollegen am Dienstag einerseits den Rücken im Kampf gegen den Terror stärken. Von dem Treffen dürfte aber auch eine klare Mahnung zu mehr Eigeninitiative ausgehen. „Die EU appelliert an die G5-Staaten, ihre Bemühungen zur regionalen Kooperation zu verdoppeln, zu beschleunigen und zu vertiefen (...) und ihren Einsatz zu verstärken, um die G5-Truppe voll einsatzfähig zu machen“, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung, der Reuters am Montag vorlag. Nur dann könne die Unterstützung der EU erfolgreich sein.