FP-Kandidat Kurz im Interview: „Notfalls den Brenner schützen“
Maximilian Kurz (FPÖ) fordert, dass die EU einen Schritt zurück zur Nationalstaatlichkeit gehen müsste. Er verteidigt die Allianz mit den extrem rechten Parteien im Europaparlament.
Herr Kurz, Sie konnten an der EU-Volksabstimmung 1994 noch nicht teilnehmen. Hätten Sie rückblickend für einen Beitritt gestimmt?
Maximilian Kurz (FPÖ): Ja, weil die Europäische Union einfach große Chancen bietet und ihre eigentliche Idee sinnstiftend ist. Die Friedenssicherung oder die Zusammenarbeit in der Wirtschaft sind wichtige Eckpfeiler. Aber: Wäre die Frage allerdings, ob ich auch für die jetzige Union stimmen würde, dann müsste ich mir das schon überlegen. Denn die EU war 1994 eine ganz andere als 2019.
Wie würden Sie sich heute verhalten, wenn über einen EU-Austritt Österreichs abgestimmt würde?
Kurz: Ich wäre ebenfalls nicht für einen Austritt. Jetzt haben wir ja die Möglichkeit, etwas zu verändern. Sollte es jedoch in eine ganz andere Richtung gehen – etwa hin zu Vereinigten Staaten von Europa, dann gäbe es dazu von mir allerdings ein klares Nein.
Wo sehen Sie als junger Mensch die Vorteile der EU?
Kurz: Dass es die Möglichkeit des freien Reisens, die kulturelle Bindung, das Studieren oder Arbeiten im Ausland gibt. Das macht Europa aus. Ansonsten würde die EU künftig weit hinter die USA oder China zurückfallen.
Aber von der FPÖ werden im Wahlkampf eigentlich nur die Nachteile thematisiert.
Kurz: Das stimmt so nicht. Wir trauen uns jedoch offen zu sagen, dass es mittlerweile zu weit geht. Wir müssen wieder zurück zur Grundidee der EU. Ein Schritt zurück würde uns guttun. Für mich steht Europa außer Diskussion, trotzdem sehen wir Freiheitliche gewisse Entwicklungen sehr kritisch. Wir thematisieren die EU nicht negativ, sondern bringen Veränderungsvorschläge ein.
Gibt es für Sie derzeit zu viel Europa?
Kurz: Nicht im Denken oder in den Werten, da existiert vielleicht zu wenig Europa. Wenn es um Strukturen geht, um die Größe des Parlaments oder die Kommission, ist es mir zu viel. Dasselbe gilt für den Einfluss von Lobbys. Beim Grenzschutz oder der Sicherheit würde ich mir mehr Europa wünschen. Andererseits wird die EU von zu vielen kleinen Vorschriften verwaltet, die den Nationalstaaten nichts bringen.
Die FPÖ tritt bei der Europawahl für „Österreich first“ und für mehr Einfluss der Nationalstaaten ein. Passt das mit der Idee von Europa überhaupt zusammen?
Kurz: Die Freiheitlichen sehen sich bei der EU-Wahl nicht nur als Interessenvertreter der Österreicherinnen und Österreicher. Mit unserer Stimme vertreten wir auch die Interessen vieler Europäer, die ähnlich denken. SPÖ, Grüne und NEOS wollen einen Staat Europa, die ÖVP hängt immer zwischen den Interessen. Wir hingegen setzen einen klaren Gegenschritt zu mehr Nationalstaatlichkeit.
Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der FPÖ mit den extrem rechten Parteien im EU-Parlament, etwa mit der Front National?
Kurz: Von diesen Parteien wird in der Öffentlichkeit meist ein sehr einseitiges Bild präsentiert. Die patriotischen Parteien im EU-Parlament, zu denen wir uns zählen, machen eine sehr gute Arbeit. Sie werden vorrangig immer ihre Nationalstaaten im Auge behalten, deshalb wird es nie zu einer Einheit werden. Der Gedankenaustausch mit ihnen tut unserem Lager europamäßig gut. Uns eint, dass der Nationalstaat Vorrang hat.
Weil Sie eingangs das freie Reisen in Europa als großen Vorteil der EU bezeichnet haben: Sind die Grenzkontrollen in Kufstein noch notwendig?
Kurz: Ja. Für mich können die Grenzkontrollen in Kufstein jedoch nicht die einzige Lösung sein, vielleicht ist es auch nicht die beste Variante. Aber nicht wegen zu viel Schutz, sondern weil es zu wenig gibt. Würde der Schutz an den Außengrenzen funktionieren, bräuchte es keine Kontrollen innerhalb des Schengenraums. Weil der EU-Außengrenzschutz lückenhaft ist, muss man den Nationalstaaten eben die Möglichkeit einräumen, selbst zu kontrollieren. Das macht Deutschland in Kufstein und wir an der Grenze zu Ungarn und Slowenien.
Wären für Sie Grenzkontrollen am Brenner vorstellbar, sollten die unerlaubten Grenzübertritte massiv zunehmen?
Kurz: Mir wären sie zwar in Salurn lieber, aber der Brenner ist nun einmal die Staatsgrenze. Sollte die italienische Politik wieder einen anderen Kurs in der Migrationspolitik einschlagen, dann muss jeder auf sich schauen. Wenn es weiter südlich nicht möglich ist, müssen wir notfalls den Brenner schützen.
Der Transit ist in Tirol ein zentrales EU-Thema. Wer ist Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich, dass es bisher keine effizienten Lösungen gibt: Innsbruck, Wien oder Brüssel?
Kurz: In Tirol sind die Versäumnisse am enttäuschendsten. Unter einer schwarz-grünen Regierung hätte man sich eine Reduktion erwarten können.
Was konkret?
Kurz: Es wurde stets versprochen, dass der Transitverkehr weniger wird, aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Europa trägt natürlich eine Mitschuld. Da wird der Brennerbasistunnel stets als das europäische Projekt gelobt, doch ich sehe Europa nicht im Tunnel. Außer bei den Förderungen.
Was müsste Europa tun?
Kurz: Es sollte doch im Interesse der EU sein, dass es zu einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene kommt. Andererseits geht es um die Zulaufstrecken in Deutschland. Hier müssten endlich die Planungen aufgenommen werden. Man redet immer wieder vom Basistunnel als europäischem Vorzeigeprojekt, aber Europa verpasst die Möglichkeit, in der Verkehrsfrage in der Tiroler Bevölkerung Vertrauen aufzubauen.
Wie schwer fällt es Ihnen, im Wahlkampf für Europa zu laufen, obwohl Sie keine Chance auf ein Mandat im EU-Parlament haben?
Kurz: Um es mit dem Radsport zu vergleichen: Es ist eine positive Wasserträgertätigkeit. Wir machen keinen Vorzugsstimmenwahlkampf, sondern eine Gesinnungswahl. Unser Spitzenkandidat Harald Vilimsky gibt die Richtung vor, die ich zu 100 Prozent unterstütze.
Die Fragen stellte Peter Nindler