(K)ein bisschen Frieden? ESC zwischen Glamour und Gewalt
Es darf wieder gefunkelt, geschunkelt und gestaunt werden: Der Eurovision Song Contest meldet sich heute mit dem ersten Halbfinale zurück. Das musikalische Spektakel findet zum dritten Mal in Israel statt – aber zum ersten Mal in Tel Aviv. Das sorgte nicht nur im Vorfeld für Probleme.
Von Tamara Stocker
Tel Aviv, Innsbruck – Der Eurovision Song Contest hätte heuer erneut in Österreich stattfinden können. Wir erinnern uns: Nach der Jury-Wertung lag César Sampson mit seinem Song „Nobody But You“ auf dem ersten Platz. Aber natürlich hatten die Zuschauer da noch ein Wörtchen mitzureden – am Ende nahm die Israelin Netta die Trophäe mit nach Hause und Österreich holte sich sensationell die Bronze Medaille.
Nach 1978, 1979 und 1998 war es Israels vierter Sieg beim Eurovision Song Contest. Und die Austragung in dem von religiösen und politischen Grabenkämpfen gebeutelten Land stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zunächst fest mit Jerusalem geplant, doch die Stadt ist ein zentraler Zankapfel im Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, der vergangene Woche wieder blutige Ausmaße annahm.
Schwerster Gewaltausbruch seit fünf Jahren
Nach weiteren Querelen um TV-Rechte, Geld und den jüdischen Ruhetag Sabbat entschied sich das Land schließlich für das liberalere Tel Aviv als Austragungsort. Die Küstenstadt ist als Partymetropole bekannt und hat seit Jahren den Ruf, die schwulenfreundlichste Stadt der Welt zu sein – soweit also ein durchaus geeignetes Pflaster für ein so buntes und unkonventionelles Event, wie es der Song Contest ist.
Doch die jüngste Eskalation blutiger Gewalt zwischen Israel und den militanten Palästinenserorganisationen im Gazastreifen sorgt für ein mulmiges Gefühl. Fast 700 Raketen feuerten militante Palästinenser vor einer Woche auf israelische Ortschaften, Israel feuerte zurück. Es gab 29 Tote. Die von Ägypten vereinbarte Waffenruhe ist brüchig.
20.000 Polizisten, Friede und Freude bei Eröffnungsfeier
Angesichts der angespannten Lage sind die Sicherheitsvorkehrungen auch in Tel Aviv besonders streng. Rund 20.000 Polizisten sind während der ESC-Woche im Einsatz. Die Polizisten sollen unter anderem am Strand patrouillieren. „Es gibt keine konkrete Warnung, aber wir kennen die Dynamik in dieser Region, und wissen, dass Dinge sich schnell entwickeln können“, sagte der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, der dpa.
Er fügte aber hinzu: „Israel wird alles in seiner Macht Stehende tun, um solche Vorfälle zu verhindern und jegliche Beeinträchtigung dieser Veranstaltungen zu minimieren. Eine Sache, die Israel gelernt hat ist, in Zeiten von Bedrohungen einfach weiter zu leben.“
Am „Orange Carpet“ war bei der offiziellen Eröffnungszeremonie am Sonntagabend von all dem nichts zu spüren. Gelassenheit herrschte vor allem bei Österreichs Hoffnungsträgerin Paenda, die am Donnerstag im 2. Halbfinale mit der Ballade „Limits“ eines von zehn Finaltickets lösen will.
1. Halbfinale heute mit Auftritten zwischen Himmel und Hölle
Die ersten zehn werden bereits heute Abend (ab 21 Uhr im ORF) vergeben. Wenn es nach den internationalen Wettbüros geht, haben Griechenland, Australien und Zypern im 1. Halbfinale die besten Karten.
Neben dem Führungstrio – das zwischen der stimmlich ein wenig an Amy Winehouse erinnernden Katerine Duska mit „Better Love“, dem Opernpop der Australierin Kate Miller-Heidke („Zero Gravity“) und Zyperns beatlastigem „Replay“ von Tamta changiert – werden von den Wettbüros auch Islands Hardrocker Hatari, der ungarische Romamusiker Joci Papai oder Serbiens Powerballade „Kruna“ von Nevena Bozovic als Fixaufsteiger gestehen, wenn sie am Abend im Convention Center von Tel Aviv auf die Bühne gehen.
Kommt Madonna?
Die Gruppe der zehn Finalticketkandidaten komplettieren demnach Tschechien, Slowenien, Belgien und Estland. Aber wie so oft wird der ESC wohl auch in diesem Jahr wieder für die ein oder andere Überraschung sorgen.
Wer die ESC-Trophäe mit nach Hause nimmt, entscheidet sich am Samstag. Im großen Finale treffen dann 41 Länder aufeinander. Als Top-Favorit auf den Sieg gilt seit Wochen der niederländische Sänger Duncan Laurence („Arcade“). Die Show könnte den Teilnehmern aber jemand stehlen, der außer Konkurrenz steht: Niemand Geringeres als Popstar Madonna soll der musikalischen Europameisterschaft eine Prise Glamour drüberstreuen.