ORF resigniert: Das Schlaraffenland hinter der Paywall
Früher war alles anders und besser sowieso: Der Ligenfußball schien durch ähnlich hohe Budgets der Beteiligten unberechenbar, das Staatsfernsehen blieb im Sport immer am Drücker. Jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung.
Von Florian Madl
Innsbruck –Öffentlich-rechtliche Sender, früher das Sammelbecken für Sportveranstaltungen, kämpfen. Die Selbstverständlichkeit ging verloren, die Exklusivität sowieso. „Als Vollprogramm gerät man an ökonomische Grenzen“, hält ORF-Sportchef Hans Peter Trost nüchtern fest. Ein Prozess, der sich mit Einzug des digitalen Fernsehens und der Streamingdienste abzeichnet.
Der schleichende Abschied vom Fußball im frei zugänglichen Fernsehen begann 1988: Privatsender RTL übernahm die Übertragungsrechte an der deutschen Fußball-Bundesliga von der ARD, statt 18 Mio. Mark (ca. 9,2 Mio. €) im Jahr flossen 135 Mio. (69 Mio. €). Mittlerweile sind es im Schnitt 1,16 Milliarden Euro pro Jahr, eine Haupteinnahmequelle der Vereine.
Der Sendung „Anpfiff“ war ein baldiger Abpfiff beschieden, 1992 folgte „ran“ auf Sat.1. Plötzlich wurde mit Kameras, Statistik und Promis geklotzt, mit Technik und Entertainment. Plötzlich ging es nicht mehr allein um Fußball, sondern ums Drumherum. Und Anfang des neuen Jahrtausends setzte RTL (bis 2007) aufs Skispringen, bis zu 15 Millionen Zuschauer sahen damals Überflieger Sven Hannawald.
„Die Uhr lässt sich nicht mehr zurückdrehen“, meinte ORF-Sportchef Trost gegenüber der Tiroler Tageszeitung, und dabei schwang weniger Wehmut als Gesellschaftskritik mit. Denn sein Sender sei als „Öffentlich-Rechtlicher“ für alle da, Rundfunkgebühr orientiert sich nicht an Marketingstrategien und Refinanzierung, sondern am Programm für alle. Ein Statement, das auch in die neue „Fernseh-Schutzliste“ einfließen soll. Gewisse Sportevents sollen nicht hinter einer Bezahlschranke verschwinden, Sportminister Heinz-Christian Strache und Kulturminister Gernot Blümel stellten das bei ihren Planungen für das überarbeitete „Fernsehexklusivrechtegesetz“ klar. Ereignisse von gesellschaftlicher Bedeutung wie Olympische Spiele, Ski- oder Fußball-Weltmeisterschaften, aber auch das Neujahrskonzert und der Opernball betrifft das. Eine Querverbindung: „Für mich ist der Sport ein Kulturgut“, hält ORF-Sportchef Trost fest. Zuletzt ging er Österreichs Fußball-Bundesliga verlustig – für 34 Millionen Euro jährlich (ca. 1,5 Mio. € für den FC Wacker Innsbruck).
Nüchtern sieht das indes David Morgenbesser, Direktor für Sportrechte im Pay-TV-Sender Sky: „Der Sport wird grundsätzlich nicht hinter eine Paywall gezogen, sondern dies ist neben der Rundfunkgebühr eine andere Art der Finanzierung“, teilte er dem Branchenmagazin Color of Sports mit. Als Nutznießer erachtet Morgenbesser den Sport, der durch die neue Konkurrenzsituation am Markt zusätzliche Erlöse lukrieren könnte. „Die Wettbewerbssituation steigert in der Regel die Erlöse.“ Und mit dem Sport-Streamingdienst DAZN, erst seit 2016 am Markt und für einen Minimalbeitrag im Fußball, US-Sport, Boxen, Eishockey, Golf, Reiten und Tennis zuhause, scheint ein neuer „Big Player“ zu erwachsen. Smartphone, Tablet oder im Browser, alles möglich. Und das alles in vermeintlichen Hoheitsgebieten des Staatsfernsehens, heilig ist nichts mehr.
Im österreichischen Skisport indes hält Präsident Peter Schröcksnadel dagegen. Der Tiroler begrüßte bei der letzten Rechtevergabe an den ORF, dass „wir nun gemeinsam dem Publikum Wintersport aus Österreich frei und ohne Bezahlschranke zeigen können“. Medienberichten zufolge hatte auch der Pay-TV-Sender Sky Interesse an den Rechten gezeigt, auch dem Streamingdienst DAZN wurde das nachgesagt. Und am Geld würde es wohl nicht scheitern.