Innsbruck

Quantencomputer: Innsbrucker Physiker schaffen Durchbruch

Eine neue Methode ermöglicht leistungsfähige Quantensimulation auf heute verfügbarer Hardware.
© IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch

Innsbrucker Physiker haben ihren Quantencomputer mit einem klassischen PC vernetzt. Sie stehen damit kurz davor, die Leistung jedes Supercomputers zu übertrumpfen.

Von A. Vahrner und M. Christler

Innsbruck — In der winzig kleinen Welt der Quanten sind Forscher aus Innsbruck dem Ziel, Aufgaben zu lösen, die weltweit kein Computer bewältigt, einen großen Schritt näher gekommen. In der Physik gilt es als entscheidende Wende, sobald die Überlegenheit eines Quantensystems demonstriert werden kann. „Wir stehen an der Schwelle dazu, dass unser Quantensimulator Dinge besser lösen kann als jeder Super-Computer", erklärt der Theoretische Physiker Peter Zoller vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademi­e der Wissenschaften.

Gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Experimental­physiker Rainer Blatt, und ihren Teams haben sie einen kleinen Umweg genommen, um an dieses Ziel zu kommen. Diesen Umweg beschreibt Zoller allerdings als die „tollste" wissenschaftliche Publikation der vergangenen 15 Jahre. Ihr Quantencomputer wird mit einem klassischen Computer vernetzt und kann so bisher für nicht möglich gehaltene Aufgaben lösen. Am Mittwochabend wurde diese Lösung im Fachjournal Nature veröffentlicht und sie dürfte auf weltweite Resonanz stoßen.

Im Detail geht es um den Quantencomputer, den sich die Theoretischen Physiker rund um Zoller in den vergangenen 20 Jahren ausgedacht haben und der in einem Keller am Technik-Campus der Universität Innsbruck von Blatt und dessen Team als Experiment gebaut wurde. „Wir sind jetzt in der Phase, dass wir diesen Quantensimulator als Werkzeug von unserem Schreibtisch aus bedienen können", erklärt Zoller bei einem Besuch am Institut.

Rainer Blatt und Peter Zoller (r.) haben die Vernetzung ermöglicht.
© APA/BARBARA GINDL

Die Physiker vom Quanten­standort in Innsbruck übernehmen seit Jahren eine führende Rolle. Das lässt sich derzeit vor allem in einer Zahl ausdrücken: 20. So viele der so genannten Quantenbits — das sind die Atome, die als Informationseinheit im Quanten-Computer verwendet werden — lassen sich im Innsbrucker Labor bereits ansteuern. In anderen Labors sind es nicht 20, sondern „4, 5 oder 6", sagt Zoller. Mit den 20 Qubits konnten die Innsbrucker Forscher in ihrer aktuellen Arbeit ein grundlegendes Modell aus der Hochenergiephysik simulieren. „Der Quantensimulator übernimmt die rechenaufwändigen Quanten­probleme, der klassische Computer löst die restlichen Aufgaben", beschreibt Experimentalphysikerin Christine Maier, wie die „besten Eigenschaften der beiden Technologien" vernetzt werden.

Blick in den Quantencomputer: In dieser Maschine, der Ionen-Falle, werden Atome „gefangen“.
© APA/C. LACKNER

In der aktuellen Veröffentlichung wurde noch ein weiterer Meilenstein beschrieben. Während bis jetzt Messungen aus dem Quantensystem am klassischen Computer überprüft worden sind, dieser aber bei dieser Ausgabe an seine Grenzen stößt, testet der Quantenrechner selbst die Ergebnisse. Diese Selbstverifikation sei erstmals gelungen, so die Forscher. „Das bringt die Simulation von alltagsrelevanten Quantenproblemen in greifbare Nähe", sagt Zoller.

Innerhalb der nächsten Monate wollen die Innsbrucker Forscher nämlich die Anzahl der Qubits von 20 auf 50 erhöhen können. Dann wäre die Schwelle tatsächlich überschritten und die Überlegenheit der Quantensysteme erwiesen. „Kein Computer, auch kein Supercomputer, kann mit so einem System noch mithalten", sieht Zoller den Innsbrucker Standort in einer führenden Position. Neben anderen Forschungsgruppen arbeiten auch Google und IBM an der Technologie.

Das hohe Ansehen der „Innsbrucker Schule" wurde in den vergangenen Wochen und Monaten mit Würdigung aus den USA, China und Europa bestätigt. Anfang Mai wurde etwa bekannt, dass Blatt in die US-National Academy of Sciences aufgenommen wurde. Die Akademie, in der Zoller bereits vertreten ist, berät unter anderem die US-Regierung. Wenige Tage zuvor hatte China die beiden Quantenphysiker mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Außerdem werden die Universität Innsbruck und das IQOQI mit mehreren Millionen Euro aus dem EU-Programm zur Quantenforschung unterstützt. Ob der vernetzte Quantencomputer aus Innsbruck auch (Nobel-)preisverdächtig ist, lässt sich allerdings mit keinem Computer der Welt vorausberechnen.

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So funktioniert der Innsbrucker Quantencomputer

Unterschied zu klassischem Computer. Jede Rechnung, jedes Bild, jedes Wort auf einem klassischen Computer besteht aus einem binären Code, also dem Unterschied zwischen 0 und 1. In einem quantenphysikalischen System übernehmen zum Beispiel Ionen (Atome) die Aufgabe des Codes, allerdings können sie viel mehr Zustände als 0 und 1 einnehmen und sogar beide Zustände gleichzeitig. So lassen sich bestimmte Berechnungen wesentlich schneller und noch dazu höchst präzise lösen.

Die Atome in der Innsbrucker Ionen-Falle. Während im klassischen Computer als kleinste Recheneinheit Bits verwendet werden, sind es beim Quantencomputer in Innsbruck Ionen — diese heißen Quantenbits, kurz Qubits. Diese winzig kleinen, für das Auge nicht sichtbaren Atome werden in einer „Falle" (die Maschine links im Bild) festgehalten. Die Qubits werden von zahlreichen Lasern, die rund um die Ionen-Falle auf einem Tisch verbaut sind, angestrahlt und in bestimmte Zustände versetzt. Mit den Qubits kann dann gerechnet werden.

Die Experimentalphysikerin Christine Maier vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Akademie der Wissenschaften, die gemeinsam mit ihren Kollegen Rick van Bijnen (li.) und Christian Kokail (re.) die aktuelle Arbeit verfasst hat.
© IQOQI Innsbruck/M.R.Knabl

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