Die Wut in Frankreich trägt weiter gelbe Westen
Paris (APA/AFP) - Seit sechs Monaten macht die Protestbewegung der „Gelbwesten“ gegen die Reformpolitik von Frankreichs Präsident Emmanuel M...
Paris (APA/AFP) - Seit sechs Monaten macht die Protestbewegung der „Gelbwesten“ gegen die Reformpolitik von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mobil. Immer noch gehen jeden Samstag tausende Menschen auf die Straße, doch unter vielen Anhängern der Bewegung hat sich Ernüchterung breit gemacht - trotz Milliarden-Zusagen der Regierung:
Wie viele Menschen mobilisiert die Bewegung noch?
Sechs Monate nach den ersten landesweiten Protesten der „Gelbwesten“ ist die Beteiligung massiv geschrumpft: Gingen am 17. November noch 282.000 Menschen auf die Straße, waren es zuletzt nach Angaben des Innenministeriums nur noch 18.600 in ganz Frankreich - ein Tiefstand.
Laut Umfragen sympathisieren derzeit rund 50 Prozent der Franzosen mit der Bewegung, anfangs waren es mehr als 80 Prozent. Das liegt vor allem an der Gewalt bei den Protesten.
Wie ist die Stimmung unter den „Gelbwesten“?
Es hat sich Ernüchterung breitgemacht. Von einer „traurigen“ Sechs-Monats-Bilanz spricht ein Aktivist, der seinen Namen mit Jean-Christophe angibt. „Uns ist klar geworden, dass nicht alle morgen 200 oder 300 Euro mehr in der Tasche haben werden.“
Auch einige Köpfe der Bewegung haben aufgegeben - unter ihnen der 34-jährige Fernfahrer Eric Drouet, der viele Menschen per Handyvideos mobilisierte. Er klagte über „Drohungen“ auch aus den eigenen Reihen, „Beleidigungen“ und Erschöpfungszustände. Aus ähnlichen Gründen nahm die 32-jährige Krankenpflegerin Ingrid Levavasseur, die oft in Medien auftrat, Abstand zu den „Gelbwesten“. Sie will sich nun kommunalpolitisch engagieren.
Was hat die Bewegung erreicht?
Präsident Macron hat als Reaktion auf die „Gelbwesten“ eine Bürgerbefragung organisiert und Zugeständnisse in Milliardenhöhe gemacht - die Regierung beziffert sie auf 17 Milliarden Euro. Macron hat eine Senkung der Einkommensteuer in Aussicht gestellt und einen höheren Mindestlohn. Zudem will er Volksbefragungen erleichtern und die Elite-Hochschule ENA „abschaffen“.
Viele „Gelbwesten“ bemängeln, von diesen Maßnahmen profitiere die Mittelschicht - also Macrons Wählerschaft. Sie sehen Frankreich weiter als sozial gespalten. Ihr Hauptziel haben sie nicht erreicht: Den Rücktritt Macrons, der für sie ein „Präsident der Reichen“ ist.
Wie sehr haben die Proteste Macron geschadet?
Nach Beginn der Proteste brachen seine Zustimmungsraten ein, zeitweise auf unter 20 Prozent. Für politische Kommentatoren stand seine Präsidentschaft auf dem Spiel - vor allem, als Anfang Dezember die Bilder der Pariser Krawalle um die Welt gingen.
Inzwischen liegt die Zustimmung für den Staatschef wieder bei gut 30 Prozent. Aufwind brachte vor allem der Bürgerdialog, für den er durchs ganze Land reiste. Zum Lackmustest wird für den 41-Jährigen die Europawahl am 26. Mai, bei der er sich gegen die Rechtspopulisten von Marine Le Pen behaupten muss.
Wie geht es mit den „Gelbwesten“ weiter?
Ein Ende der Proteste ist nicht in Sicht, für Samstag sind neue Kundgebungen angekündigt. Bei der Europawahl treten zwei Listen von „Gelbwesten“-Aktivisten an. Ihnen werden jedoch kaum Chancen ausgerechnet, die in Frankreich geltende Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen.
(Die APA versendet am Donnerstagnachmittag ein Interview mit der Gelbwesten-Mitbegründerin Ingrid Levavasseur.)