Australien entscheidet über neues Parlament
Canberra (APA/dpa) - Wenn sie etwas über den Klimawandel erfahren wollen, müssen die Australier nicht viel tun. Oft reicht es, vor die Haust...
Canberra (APA/dpa) - Wenn sie etwas über den Klimawandel erfahren wollen, müssen die Australier nicht viel tun. Oft reicht es, vor die Haustür zu gehen. Zum Beispiel oben in Cairns, wo weite Teile des weltgrößten Korallenriffs, des Great Barrier Reef, ausgeblichen sind. Oder im Landesinneren, wo es im jüngsten Sommer vielerorts so extrem heiß war, bis knapp unter 50 Grad. Oder auf der Insel Tasmanien, schon Richtung Südpol, wo gerade die Küste wegbröckelt.
Eigentlich reicht es derzeit aber auch, den Fernseher einzuschalten. Vor der Parlamentswahl am Samstag (18. Mai) hat sich der Klimawandel zum Thema Nummer eins entwickelt. Der Fernsehsender ABC ermittelte in einer Umfrage, dass das aktuell die größte Sorge der knapp 25 Millionen Australier ist. Im TV-Duell zwischen dem konservativen Premier Scott Morrison (51) und Herausforderer Bill Shorten (52) von der Labor-Partei ging es auch sofort um die gestiegenen Temperaturen.
Down Under ist die Klimapolitik schon seit mehr als einem Jahrzehnt Streitpunkt zwischen den beiden großen Lagern, den rechtskonservativen Liberalen (derzeit in einer Koalition mit der Nationalen Partei) und den Labor-Sozialdemokraten. Dass das zum wichtigsten Wahlkampf-Thema wurde, gab es noch nie. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Australien wirtschaftlich keine große Sorgen hat: Das Land ist seit 28 Jahren ohne Rezession.
Dafür gehört Australien aber auch zu den 20 größten Klimasündern weltweit. Regierungsziel ist bisher, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 26 Prozent zu senken. Labor will deutlich mehr, nämlich 45 Prozent. Shorten plant dazu unter anderem, die Kohlesteuer wieder einzuführen, die die Konservativen abgeschafft hatten. Morrison, ein Mann der Wirtschaft, hält dagegen, dass dies die Konjunktur abwürgen würde.
Kurz vor der Wahl deutet vieles auf einen Erfolg von Labor hin - sowohl im Repräsentantenhaus, wo alle 151 Sitze neu zu vergeben sind, als auch im Senat, wo die Hälfte der 76 Sitze neu besetzt wird. Die Opposition liegt schon seit zweieinhalb Jahren in fast allen Umfragen vorn. Allerdings ist der Abstand zuletzt geringer geworden. Und es gibt es auch keine große Wechselstimmung. Bei den persönlichen Popularitätswerten schneidet Shorten im Vergleich mit Morrison sogar schlechter ab.
Die Australier hadern generell mit ihren Parteien. Letztes Jahr sagten nur noch 41 Prozent, sie seien mit dem Zustand ihrer Demokratie zufrieden. 2013 waren es noch 72 Prozent. Der Verdruss hängt auch damit zusammen, wie Liberale und Labor mit ihrem Spitzenpersonal umgehen. Seit 2005 - also seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist - hatte das Land sechs verschiedene Regierungschefs. Im letzten Jahrzehnt brachte kein einziger (und keine einzige) die Amtszeit zu Ende.
„Die Australier haben die Nase von den vielen Wechseln voll“, sagt der Politik-Professor John Warhurst. Meist fielen die Premiers den eigenen Leuten zum Opfer. Auch Morrison kam im letzten Sommer durch eine Revolte gegen Vorgänger Malcolm Turnbull ins Amt. Auslöser: die Klimapolitik. Demgegenüber hält sich Shorten verhältnismäßig lange. Der frühere Gewerkschaftsfunktionär führt Labor seit Oktober 2013 - eine kleine Ewigkeit für australische Verhältnisse.
Wahrscheinlich wird es am Samstag darauf ankommen, wie viele Stimmen die kleineren Parteien holen - die oppositionellen Grünen, die ebenfalls großen Wert auf die Klimapolitik legen, und die mitregierenden Nationalen, vor allem aber Rechtsaußenparteien wie One Nation oder United Australia. Wenn die Umfragen stimmen, können sie wegen der allgemeinen Unzufriedenheit mit einem kräftigen Plus rechnen. Das könnte die Regierungsbildung schwierig machen.
Insgesamt dürfen 16 Millionen Australier wählen - und sie müssen es auch. Australien gehört zu den wenigen Ländern, in denen es eine Wahlpflicht gibt. Wer ohne triftigen Grund nicht zur Abstimmung geht, muss Strafe zahlen: 20 Australien-Dollar (12,37 Euro). Das führt dazu, dass die Wahlbeteiligung enorm hoch ist. 2016 - in Australien wird alle drei Jahre gewählt - betrug sie 91 Prozent.
(Grafik Nr. 0596, Format 88 x 102 mm)