Vietnam hofft auf österreichische Investitionen
Das politisch immer noch sozialistische Vietnam lässt die Wirtschaft nach Regeln des Kapitalismus wachsen. Eine Vertretung soll Österreichs Unternehmen Zugang zum boomenden Markt öffnen.
Wien, Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) – Sozialistische Republik aber die Wirtschaft auf Kapitalismus getrimmt: Vietnam geht einen ähnlichen Weg wie China und behält zwar politisch die Zügel fest im Griff, lässt Unternehmertum aber zu. Das Ergebnis ist eine seit Jahren boomende Wirtschaft. Daran will Österreich dank eines heute, Donnerstag, von WKÖ-Präsident Harald Mahrer offiziell eröffneten Außenwirtschaftscenters teilhaben.
Vom Premierminister über den stellvertretenden Wissenschaftsminister bis zu Firmenvertretern hörte Mahrer bei seiner Reise immer die gleiche Botschaft: Vietnam sieht sich nicht mehr nur als verlängerte Werkbank verschiedener wirtschaftlicher Großmächte – insbesondere wohl von China und Südkorea. Gesucht wird Technologie, geboten wird eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung mit hohem Unternehmergeist. 96 Millionen Menschen leben im Vietnam, ein Drittel unter 30, jährlich kommt eine Million Menschen dazu. Die Wirtschaft wächst im Schnitt um rund sieben Prozent pro Jahr.
„Vom Tellerwäscher zum Millionär“
Wie sehr Qualität im Vordergrund steht versinnbildlicht die Vingroup, Vietnams größtes börsennotiertes Unternehmen. Nicht nur der Gründungsmythos entspricht dem US-Tellerwäschertraum: Eigentümer Pham Nhat Vuong begann mit einem Imbiss und dann einer Instantnudel-Produktion in der Ukraine, bevor er heimkehrte. Inzwischen ist er reichster Mann Vietnams, seine Gruppe baut Siedlungen mit Quadratmeterpreisen von 4.000 Euro, Inklusive Shoppingcenter, Schule, Spital, alles von Tochterunternehmen der Gruppe.
23.000 Schüler sind in ihren Schulen, häufig nach dem Cambridge-Programm. Ein monatliches Schulgeld von 700 Euro sei im Vergleich zu anderen Privatschulen ohnehin günstig, sagte die Vertreterin einer dieser Schulen anlässlich des Besuchs einer Wirtschaftsdelegation aus Österreich. Andere verlangen ein Vielfaches. Ein Durchschnittsgehalt im Land liegt bei 300 Euro.Durchschnitte sind im Vietnam aber wenig aussagekräftig. In den beiden Metropolen Hanoi und Ho Chi Minh City (Saigon) liegt ein durchschnittliches Jahreseinkommen bei 10.000-15.000 Euro, am Land bei 500.
Problem Bürokratie
Österreichische Unternehmen beklagen durchaus die lahme Bürokratie. Trotzdem gehen viele Dinge atemberaubend schnell, vor allem wenn die Kontakte in die Partei bzw. Regierungsspitze gut sind. So wurde das Außenwirtschaftscenter innerhalb von sechs Monaten auf die Beine gestellt - Premier Nguyen Xuan Phuc persönlich hatte sich dafür stark gemacht. Seit seinem Besuch in Österreich im Oktober des Vorjahres ist er Österreich-Fan, nahm sich auch Zeit, Mahrer persönlich und sehr freundschaftlich zu empfangen.
Der Leiter der Naumann-Stiftung im Vietnam, Mark Stanitzki, hat es unlängst in einem Interview so beschrieben: Die kleinen Unternehmen sind ganz frei, sobald eine Firma aber größer wird, geht ohne Verbindung in die Partei auch in der Privatwirtschaft praktisch nichts. Politisch seien im Hintergrund weiter die alten sozialistischen Machtstrukturen intakt.
„Tarife“ für bestimmte Geschäfte
Entsprechend gut dürften die politischen Verbindungen der Vingroup sein. Sie stampfte in kürzester Zeit das erste „vietnamesische“ Auto aus dem Boden. Auf Basis von BMW-Technologie hat Magna, mit Unterstützung von AVL, in 12 Monaten ein neues Auto entworfen, im Juni sollen ein SUV und eine Limousine vorgestellt werden. Auch hier wird auf Oberklasse gesetzt. Innerhalb von sechs Monaten hat die Vingroup eine Handy-Fabrik herbeigezaubert - mit Technologie der spanischen BQ-Gruppe, an der die Vietnamesen die Mehrheit übernahmen.
Korruption ist in dem Land so eine Sache. Österreichs Botschafter im Vietnam, Thomas Schuller-Götzburg, verweist darauf, dass sich österreichische Firmen darüber nicht beschweren, wohl aber über Bürokratie. Der deutsche Anwalt Matthias Dühn differenziert das. Ganz große können da sauber bleiben, gerade kleine Firmen seien aber sehr wohl mit Korruption konfrontiert. In gewissem Sinne müsse man wissen, was der „Tarif“ für bestimmte Geschäfte ist. Auch Stanitzki spricht offen über Korruption – solange aber die Einkommen wachsen und die breite Masse daran teilhat, werde das von den Menschen toleriert. Wachstum und Frieden seien in dem Land, in dem von 1946 bis 1976 30 Jahre lang Krieg herrschte, die Legitimation der Führung. (APA)