Filmfestspiele Cannes - Ken Loachs Drama aus der modernen Arbeitswelt

Cannes (APA) - Mit einem seiner typischen Sozialdramen ist der Brite Ken Loach am Donnerstag in Cannes in den Wettbewerb um die Goldene Palm...

Cannes (APA) - Mit einem seiner typischen Sozialdramen ist der Brite Ken Loach am Donnerstag in Cannes in den Wettbewerb um die Goldene Palme eingestiegen. „Sorry we missed you“ entwickelt seine Geschichte langsam, aber unerbittlich. Dabei entsteht ein düsteres Porträt unserer scheinbar so schönen neuen Arbeitswelt, in der sich unabhängiges Unternehmertum rasch als ein anderes Wort für Sklaverei entpuppt.

Der 82-jährige Brite, wie der Österreicher Michael Haneke bereits zweifach Palmen-gekrönt (2006 für „The Wind That Shakes the Barley“ und 2016 für „Ich, Daniel Blake“), lässt beim Anprangern von Ungerechtigkeiten nicht locker. Diesmal porträtiert er eine Arbeiterfamilie in Newcastle. Abby (Debbie Honeywood) arbeitet als mobile Altenpflegerin, ihr Mann Ricky (Kris Hitchen) als Lieferwagenfahrer. Um sich den kleinen Traum von Eigentum und Eigenverantwortung leisten zu können, nimmt der Familienvater einen neuen Job an - und findet sich als „Franchise-Partner“ eines Paketauslieferers wieder, der beinharte Bedingungen diktiert: Volles Risiko bei null sozialer Sicherheit ist die Devise.

Der Zeitdruck ist enorm, für einen kleinen Tratsch an der Haustür bleibt keine Zeit mehr. Die Klopause wird durch eine Pissflasche ersetzt. Auch Abby, die ihren Job liebt, muss statt einfühlsamer Pflege Fließbandarbeit abliefern - und das von acht Uhr morgens bis neun Uhr abends. „Was ist mit unserem Acht-Stunden-Tag passiert?“, fragt eine alte Dame, als sie den Arbeitsplan ihrer Betreuerin zu Gesicht bekommt.

Die Kinder machen Sorgen. Das aufgeweckte Mädchen beginnt, ins Bett zu nässen, ihr älterer Bruder hat keinen Bock auf die Schule und kommt als Graffiti-Sprayer bald mit der Polizei zu tun. So wie sein Vater will er auf keinen Fall werden. Doch um sich wirklich um seine Kinder zu kümmern, dazu fehlt dem Ehepaar die Zeit. Und bald auch die Energie. Loach zeigt, wie der zunehmende ökonomische Druck trotz bester Vorsätze der Vorzeige-Familie langsam Wirkung entfaltet. Das ist nicht schön mitanzusehen, aber ein starkes Stück sozialkritischen Kinos.