Strache steht nach „Lockvogel“-Video schwer unter Druck
Vom „Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichte Videoaufnahmen legen nahe, dass FPÖ-Chef Strache und Klubobmann Gudenus dubiose Geschäfte mit einer vermeintlich reichen Russin angeboten haben, falls sie der FPÖ zum Wahlsieg verhilft. Die FPÖ geht in die Gegenoffensive, Kanzler Kurz (ÖVP) will am Samstag zu der Causa Stellung nehmen.
Wien, Innsbruck – Ein heimlich aufgenommenes Video bringt Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) schwer in Erklärungsnot: Die vom deutschen Spiegel und der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Aufnahmen legen nahe, dass Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus knapp drei Monate vor der Nationalratswahl 2017 einer vermeintlichen Investorin aus Russland öffentliche Aufträge in Aussicht stellte – wenn sie der FPÖ zum Wahlerfolg verhilft.
Von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gab es am Freitagabend vorerst keine Stellungnahme zur Affäre um seinen Vizekanzler. Ein Sprecher des Kanzlers kündigte auf APA-Anfrage eine Stellungnahme für Samstag an.
Spenden laut Strache nie eingegangen
Laut SZ wurde die elegant gekleidete Frau den beiden FPÖ-Politikern als Aljona Makarowa vorgestellt – eine angebliche Nichte von Igor Makarow, einem Putin-nahen russischen Oligarchen. In den laut Spiegel und SZ Ende Juli 2017 in einer Villa auf Ibiza gefilmten Aufnahmen erklärt Strache der Frau, wie sie verdeckte Parteispenden an die FPÖ schleusen könnte. Tatsächlich seien die genannten Spenden nie eingegangen, so Strache laut den Medien.
Laut den Berichten soll die vermeintliche Oligarchennichte den FPÖ-Spitzenpolitikern erzählt haben, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen. Sie deutete mehrmals an, dass es sich um Schwarzgeld handeln könnte. Trotzdem blieben Parteichef Strache und Gudenus gut sechs Stunden bei dem Treffen sitzen und diskutierten über Anlagemöglichkeiten in Österreich. Das Treffen sei offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden, heißt es in den Berichten. Demnach war die Russin ein Lockvogel, das Gespräch wurde heimlich mitgefilmt.
Strache spricht von verdeckten Parteispenden
In den Aufnahmen, die den Medien zugespielt wurden, berichtet Strache davon, dass „ein paar sehr Vermögende“ im Wahlkampf zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro über einen gemeinnützigen Verein an die FPÖ bezahlen würden. An den Rechnungshof gemeldet werde das Geld nicht.
Der Frau stellt Strache laut den Videoaufnahmen öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht, wenn sie der FPÖ zum Erfolg verhelfe: „Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann.“ Weiter sagte er: „Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!“ Gemeint ist Hans Peter Haselsteiner, der langjährige Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer des Baukonzerns Strabag.
Als Spender im Wahlkampf 2017 nennt Strache unter anderem den Waffenfabrikanten Gaston Glock, die Milliardärin Heidi Goess-Horten, den Unternehmer Rene Benko sowie den Glücksspielkonzern Novomatic. Alle vier bestreiten dem Bericht zufolge, tatsächlich gespendet zu haben. Auch Strache und Gudenus, der im Video als Übersetzer für die Russin fungiert, erklärten laut Spiegel und SZ, die Spenden seien nie eingegangen.
Hoffnung auf „Kronen Zeitung“
Ein Szenario, das die Runde auslotete, war die damals vermeintlich angedachte Übernahme der Kronen Zeitung durch die Frau. „Wenn sie die Kronen Zeitung übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden“, sagte Strache der Frau laut den Videoaufnahmen.
Würde die Krone nach einem Einstieg die FPÖ dann zwei, drei Wochen vor der Wahl pushen, „dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34“ Prozent, sagt Strache in den Videoausschnitten. Bei der Zeitung gebe es „drei, vier Leute, die müssen gepusht werden, drei vier Leute, die müssen abserviert werden“, und dann hole man „gleich fünf neue rein, die wir aufbauen“.
Über Journalisten im Allgemeinen hatte Strache Folgendes zu sagen: „Journalisten sind sowieso die größten Huren auf dem Planeten“, wird er von den beiden Medien zitiert. Nur einen nimmt er aus: Richard Schmitt, Chefredakteur der Online-Ausgabe der Kronen-Zeitung, ist für Strache einer „der besten Leute, die es gibt“.
Agitation gegen politische Konkurrenz
Auch um Agitation gegen andere Parteien soll es in dem mehr als sechsstündigen Gespräch gegangen sein. Wenn man kompromittierendes Material aus dem Privatleben seiner politischen Rivalen beschaffen könnte und im Ausland lancieren würde, dann würde niemand wissen, dass die FPÖ dahinter steckt. Stattdessen, so Straches Hoffnung, würde als Rache von Sozialdemokraten und Konservativen nur weiteres Material über den jeweils anderen ans Licht gebracht werden.
Wörtlich sagt Strache: „Würde es uns gelingen, von einer Seite Fotos zu organisieren, die wir übers Ausland spielen, würde die andere Seite glauben, die andere war‘s und der atomare Krieg geht los. Es muss uns das Kunststück gelingen, eine Seite sichtbar zu machen, damit die andere losschlägt.“
FPÖ sieht „schmutzige Silberstein-Methoden“
Die FPÖ ging in der Causa am Freitagabend in die Gegenoffensive: Generalsekretär Christian Hafenecker stellte in einer Aussendung die Frage, wer durch die Veröffentlichung eine Woche vor der Wahl Nutzen ziehe. Das erinnere verdächtig „an die sattsam bekannten schmutzigen Silberstein-Methoden aus dem Nationalratswahlkampf 2017 mit dem Versuch eines politischen Auftrags-Attentats“. Derzeit prüften Rechtsanwälte der FPÖ das der Partei zugängliche Material. „Da das Video ganz offensichtlich illegal aufgenommen wurde, bereiten wir auch entsprechende Rechtsschritte vor“, so Hafenecker.
Er betonte, dass sowohl Parteichef Strache als auch die FPÖ „niemals irgendwelche Vorteile von diesen Personen erhalten oder selbigen gewährt“ hätten. Auch seien von den genannten Personen und Unternehmen keine Spenden an die FPÖ eingegangen. Weiters wies er darauf hin, dass von Strache in diesem Gespräch bei allen Themen die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung mehrmals betont worden seien. Das gelte auch für allenfalls in Aussicht gestellte Parteispenden bzw. Spenden an gemeinnützige Vereine im Sinne der jeweiligen Vereinsstatuten. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), der derzeit in Tirol weilt, wollte sich am Freitagabend auf Nachfrage der Tiroler Tageszeitung nicht zu der Causa äußern.
Strache selbst hatte gegenüber SZ und Spiegel von einem „rein privaten“ Treffen in „lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre“ gesprochen: „Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen“, meinte auch er. Strache ergänzte demnach, er oder die FPÖ hätten „niemals irgendwelche Vorteile“ von diesen Personen erhalten oder gewährt. „Im Übrigen“, schrieb Strache, „gab es neben dem Umstand, dass viel Alkohol im Laufe des Abends gereicht wurde, auch eine hohe Sprachbarriere“.
Opposition fordert Rücktritt und Neuwahlen
Nach Ansicht der Opposition schreit die Affäre nach Konsequenzen: Die SPÖ sieht Strache rücktrittsreif und Kurz gefordert: „Es ist Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen. Für Bundeskanzler Kurz gibt es nur einen Weg: Der Gang zum Bundespräsidenten“, Die NEOS fordern Neuwahlen. Die Liste Jetzt fordert Kurz auf, seinen Vizekanzler zu entlassen. (TT.com, APA)