„Ghettoisierung statt Integration“: Größere Flüchtlingsheime als Gefahr
Die Schließung vor allem von kleinen Heimen für Flüchtlinge in Tirol stößt auf Widerstand.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck –In Tirol wurden rund 200 Unterkunftsmöglichkeiten für über 6000 Asylwerber geschaffen – von der Ein-Zimmer-Wohnung bis zum Großheim mit mehreren hundert Personen. Wegen der stark sinkenden Anzahl von Flüchtlingen wurde bereits mehr als die Hälfte geschlossen, „aber wir haben für derzeit nur noch 2400 Bewohner immer noch mehr Plätze, als wir brauchen“, sagt Florian Stolz, interimistischer Leiter der zuständigen Tiroler Sozialen Dienste (TSD). Von den 90 noch bestehenden Objekten werden deshalb bis Ende des Jahres 30 geschlossen, 2020 folgen zehn weitere. Insgesamt geht es dabei um Plätze für 570 Menschen, die teilweise in Wohnungen übersiedeln, weil sie als Flüchtlinge anerkannt wurden, oder in andere, weiterhin bestehende Heime.
Dabei stößt der TSD wie zuletzt in Oberperfuss immer wieder auf teils massiven Widerstand vor allem von Seiten der vielen Freiwilligen, die sich die Integration der Flüchtlinge zur Aufgabe gemacht haben. In ganz Tirol kritisieren Ehrenamtliche die Entwicklung, kleine Einrichtungen am Land zu schließen: Bernhard Teißl-Mederer, Obmann des Freundeskreises Flüchtlingsheim Landhaus St. Gertraudi, spricht von einer „schlechten Entwicklung, die wir sehr bedauern“. Die dezentrale Präsenz von Flüchtlingen sei eine große Bereicherung für die Dörfer, sagt er und fürchtet eine Bildung von „Ghettos“.
Auch Ursula Jennewein vom Freundeskreis Flucht und Integration (FFI), das Netzwerk der Tiroler Freiwilligenorganisationen, kritisiert die Schließung vor allem von kleinen Heimen aus Einsparungsgründen: „Es zählt nur das Finanzielle, die Integration bleibt auf der Strecke.“ Während es speziell am Land gewachsene Strukturen an Freiwilligen gebe, würden vor allem in großen städtischen Heimen mit vielen Menschen und weniger Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer die meisten Probleme auftreten. „Schwierige Bedingungen fördern die Gewaltbereitschaft.“ In einem Dorf könnten Menschen besser integriert werden.
Florian Stolz verweist darauf, dass auch große Einheiten wie das Heim am Hofgarten in Innsbruck geschlossen wurden. Als Kriterien für Schließungen nennt er auslaufende Mietverträge, die Höhe der Betriebskosten oder den Bauzustand, manche Vermieter melden auch Eigenbedarf an. Den Widerstand in den Gemeinden wertet er als „positives Zeichen, dass die Integration funktioniert hat. Damit habe man nicht gerechnet, „das hat uns überrascht“. „Es gibt keinen Standort, den wir ohne Bedenken eröffnet haben, aber überall hat sich die Situation beruhigt. Es gibt Beispiele, wo Schule und Elternvereine massiv auftraten und fürchteten, das Niveau im Unterricht werde durch die Flüchtlingskinder sinken. Und ein paar Jahre später sagen die gleichen Leute, das könnt ihr nicht machen, ihr könnt das Heim nicht schließen, weil die Kinder inzwischen beste Freunde geworden sind.“
Umgesiedelt zu werden, sei Realität im Leben der Asylwerber, die dabei aus ihrem sozialen Netz mit Deutschkurs, Freundschaften mit Ehrenamtlichen, gemeinnütziger Tätigkeit herausgerissen werden. Stolz: „Bei so vielen Menschen ist es leider nicht anders administrierbar. Was wir aber versuchen im Blick zu behalten, ist das Schuljahr, damit Kinder nicht mittendrin herausgerissen werden. Aber wir können nicht verhindern, dass es öfters zu einem Schulwechsel kommt.“
Aktuell gibt es Bemühungen, in Längenfeld Lösungen für die Betroffenen zu finden. Dort soll das Heim ebenso geschlossen werden wie in Oberperfuss, wo man sich zuletzt auf einen Kompromiss geeinigt hat. Stolz: „Das Heim bleibt so lange geöffnet, bis wir für alle Klienten eine gute Lösung gefunden haben.“
Ernst Gabl vom Verein „daHaim“, der die Unterkunft auf der Ötztaler Höhe betreut: „Es ist scha de, dass die schöneren Heime geschlossen werden, und die Container bleiben und werden immer wieder aufgefüllt. Man versucht die Flüchtlinge zu demoralisieren“, bedauert er.