Regierungskrise - Pressestimmen aus der Schweiz

Zürich/Wien (APA) - In der Schweiz haben die „Neue Zürcher Zeitung“ und der „Tagesanzeiger“ die österreichische Regierungskrise rund um den ...

Zürich/Wien (APA) - In der Schweiz haben die „Neue Zürcher Zeitung“ und der „Tagesanzeiger“ die österreichische Regierungskrise rund um den zurückgetretenen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache samt der Verkündigung von Neuwahlen durch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag in ihren Online-.Ausgaben wie folgt kommentiert:

Neue Zürcher Zeitung (Zürich/www.nzz.ch):

„Ein Erdbeben, das die Politik weit über Österreichs Grenzen hinaus erschüttert. Als die FPÖ vor anderthalb Jahren von Sebastian Kurz wieder an die Macht gebracht wurde, war sie ungleich besser vorbereitet als Jörg Haiders Truppe im Jahr 2000. Zudem sassen die wichtigen Parteiexponenten direkt an den Schalthebeln, was damals wegen des vielseitigen Drucks nicht möglich war. Und schliesslich war Kurz bereit, der FPÖ inhaltlich weit entgegenzukommen und sie damit bei Laune zu halten. Auf zehn Jahre war die gemeinsame Arbeit angelegt, wie der Kanzler mehrmals betonte. Nun endet sie nach nur anderthalb Jahren im Debakel, und die Frage steht im Raum, ob diese Partei je regierungsfähig sein kann.

(...) Es ist darüber hinaus aber auch das vorläufige Ende des Experiments von Sebastian Kurz. Dieser gefiel sich in der Rolle als Posterboy der Konservativen, dem es angeblich gelungen war, die Rechtspopulisten einzubinden und mit straffer Führung zu zähmen. Dafür wurde er europaweit beklatscht, auch wenn die gelobten Reformen auf den zweiten Blick viel zu zaghaft ausfielen. Kurz‘ Vorzeigeprojekt ist gerade spektakulär gescheitert - mit Wirkung weit über die Landesgrenzen hinaus. Denn wenn es die Absicht war, das Video ausgerechnet eine Woche vor der EU-Wahl publik zu machen, um die Problematik einer Beteiligung der rechtspopulistischen Kräfte an der Macht aufzuzeigen, dann ist dieses Kalkül aufgegangen.

Tagesanzeiger (Zürich/www.tagesanzeiger.ch):

„Wer mit Rechtspopulisten regiert, geht mit ihnen unter. Für eine der schwersten Regierungskrisen in der jüngeren Geschichte Österreichs trägt auch Bundeskanzler Sebastian Kurz die Verantwortung. Das heimlich mitgeschnittene Video in Ibiza zeigt es ganz deutlich: Rechtspopulistischen Führern wie Österreichs Heinz-Christian Strache geht es nicht um den Schutz der Heimat, nicht um den kleinen Mann, nicht um die islamistische Gefahr. (...) ScEs geht also ganz alleine um Macht, um fast jeden Preis. Man hat das natürlich schon vermutet, bei Strache genauso wie bei Italiens Matteo Salvini oder Frankreichs Marine Le Pen. Aber noch nie wurde es so klar vermittelt.

Ein Video können selbst treue Wähler der Rechtspopulisten nicht mehr als Fake-News abtun: Die Macht der Bilder hat die FPÖ nach oben getragen. Jetzt hat sich diese Macht gegen sie gewandt und ihre Allmachtsträume beendet. Viermal waren Rechtspopulisten in Österreich in den vergangenen 30 Jahren in Koalitionsregierungen, viermal haben sie diese gesprengt. In der Regierung produzierten sie vor allem Hetze und Skandale. Sie sind nicht kompromissfähig, sie können nicht regieren. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz musste das wissen, als er mit Strache eine Partnerschaft einging. Er trägt damit die Mitverantwortung für eine der schwersten Regierungskrisen der Zweiten Republik. Er mag ein genialer Taktiker sein, wirkt aber in der Krise völlig hilflos. Sein Nimbus des Siegers ist weg. Strache ist Geschichte, Kurz zumindest schwer angeschlagen.

~ WEB http://www.fpoe.at ~ APA381 2019-05-18/22:20