Trotz Neuwahlen: Die Donnerstagsdemos gehen weiter
Ausgelassene Feierstimmung und die Forderung nach einem Neubeginn – die erste Donnerstagsdemo nach „Ibiza“.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck — „Bei der letzten Kundgebung hätte wohl niemand gedacht, dass die FPÖ heute nicht mehr in der Regierung ist!" Lauter Jubel übertönt die nächsten Worte von Christina Angerer, Mitorganisatorin der Donnerstagsdemo in Innsbruck. „Das ist doch ein Grund, miteinander zu feiern", ruft sie ins Mikrofon.
Seit 15. Oktober treffen sich Gegner der ÖVP-FPÖ-Regierung auch in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck — anfangs Woche für Woche, zuletzt zweimal im Monat. Viele sind von Anfang an mit dabei. Es sind etwa gleich viele Menschen wie auch sonst, heißt es, aber diesmal ist doch alles anders. Die Koalition, gegen die man protestierte, ist Geschichte. Ibiza ist nicht nur auf den Plakaten zu finden, sondern tönt auch als inzwischen bekannter Song aus den Lautsprechern.
„Die Leute sind ausgelassener", sagt Christina Angerer. „Aber sie wissen auch: Es geht nicht nur darum, welche Partei in der Regierung sitzt, sondern auch darum, welche Politik gemacht wird." Dass sich gleich etwas ändern wird, erwartet hier niemand, wohl auch nicht, dass die Forderung, die umstrittene 1,50-Euro-Verordnung zurückzunehmen, am nächsten Tag schon überholt sein wird. „Es ist nur zu hoffen, dass tatsächlich ein Neubeginn stattfindet", sagt eine Demonstrantin.
„Ich bin für den sozialen Ausgleich", erklärt Günter Brandt aus Innsbruck — auch er kommt regelmäßig „im Winter wie im Sommer". „Die Volksbegehren wurden nicht beachtet, es gab einen Sozialabbau und der 12-Stunden-Tag wurde eingeführt." Er hält ein Schild in die Höhe, auf dem „Geldgier und Rassismus" steht und „Kurz Schluss". Ein anderer Mann ruft „Österreich ist frei".
„Der Rechtspopulismus hat uns nichts anzubieten", ruft Wilfried Hanser vom Organisationskomitee ins Mikrofon. „Er hat keine Probleme gelöst, nur welche geschaffen. Das Video lässt uns in tiefe Abgründe blicken." Die Kritik richtet sich aber vor allem gegen den Bundeskanzler. Hanser: „Er hat uns das alles eingebrockt. Und er bereut nichts an seinem neoliberalen Kurs." „Kurz muss weg", rufen einige darauf.
„Ungleichheit spaltet die Gesellschaft. Sie ist Gift für den sozialen Zusammenhalt", sagt Max Preglau, der frühere Leiter des Instituts für Soziologie an der Uni Innsbruck. Er ist einer der Redner an diesem Abend, aber auch die Tirol-Koordinatorin des Frauen-Volksbegehrens, Elisabeth Grabner-Niel, ist gekommen: „Unsere Gruppe trifft sich nach wie vor und arbeitet daran, die Forderungen unter die Menschen zu bringen."
„Wir machen weiter", stellt Mesut Onay vom Komitee fest. „Kurz hat nicht ausgeschlossen, wieder mit der FPÖ zu koalieren, alles sieht derzeit nach einem Machtspiel aus, das ist sehr beunruhigend."