Wien

„Frau ohne Schatten“: Musik gegen Schattenspiel in der Staatsoper

Der Einarmige, der Einäugige und der Buckelige bedrängen den Färber Barak: Ryan Speedo Green, Samiel Hasselhorn, Thomas Ebenstein und Wolfgang Koch.
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

150 Jahre Wiener Staatsoper: Dank Christian Thielemann, dem Staatsopernorchester und großen Sängern wurde die neue „Frau ohne Schatten“ zum Ereignis.

Von Stefan Musil

Wien –Jubiläumsbahnhof in der Wiener Staatsoper, die sich eine neue „Frau ohne Schatten“ schenkte. Denn am 25. Mai 1869 wurde der Neubau des „k. k. Hof-Operntheaters“ einst eröffnet. Am Samstag, 150 Jahre später, strömten wieder die Festgäste ins Haus, während davor noch das Open Air vorbereitet wurde, für das am Sonntag sogar die Ringstraße gesperrt wurde. Nur eine von vielen Aktivitäten rund ums Jubiläum für eine Institution, die nach 150 Jahren noch ordentlich Gewicht im reichen Kulturleben des Landes besitzt.

Das wurde auch mit der Premieren-Gala – zumindest musikalisch – auf den Tag genau auf den Punkt gebracht. Mit einem der wenigen hier uraufgeführten Werke, die es in den Spielplankanon der Opernwelt geschafft haben. Am 10. Oktober 1919 kam „Die Frau ohne Schatten“ heraus, in der Richard Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal ein märchen- und rätselhaftes Selbstfindungs- und Prüfungsspiel entwarfen, das erst schlüssig inszeniert sein möchte.

Es ist aber auch ein musikalisch reiches und komplexes Werk, mit immensen Anforderungen an die Ausführenden. Eines, das in Wien Tradition hat, zur Uraufführung von Franz Schalk, bald von Strauss selbst, danach, und legendär, von Karl Böhm, von Herbert von Karajan, später von Christoph von Dohnanyi oder Giuseppe Sinopoli dirigiert wurde. Zum Jubiläum gönnte man sich den Strauss-Dirigenten unserer Tage, Christian Thielemann. Dazu eine Besetzung, die sich heute kaum besser denken lässt, wie sich Direktor Dominique Meyer in seiner kurzen Ansprache vor Beginn freute.

Christian Thielemann hatte schon einmal die Wiener Philharmoniker, deren Mitglieder ja hauptberuflich im Staatsopern-Graben sitzen, fulminant durch diese Oper geführt. Das war 2011 bei den Salzburger Festspielen. Nun also erneut. Doch hörte man alles andere als eine Aufwärmübung, sondern erlebte eine Verfeinerung, eine Vertiefung, hinein bis in die kleinsten musikalischen Verästelungen, die diese vielschichtig farbenreich instrumentierte Partitur zahlreich anbietet. So erfährt man die Geschichte in all ihren Facetten diesmal fantastisch ausgemalt aus dem Orchestergraben. Wobei es Thielemann versteht, die dralle Pracht auch immer wieder grandios sängerfreundlich zurückzunehmen, ohne die Spannung zu verlieren. Man bekommt ein mit den wunderbaren Orchestermusikern ausgerichtetes Fest, das berührt, fasziniert und überwältigt.

Dem steht eine nicht vorhandene Regie von Vincent Huguet gegenüber. Huguet war eine Zeit lang Assistent des großen Patrice Chéreau. Warum ihn das als Regisseur legitimiert, konnte er nicht begründen, genügte weder handwerklich, geschweige denn intellektuell. Er bewältigt nicht einmal die simple Erzählung der Handlung, sondern postiert die in erbärmliche Kostüme gesteckten Sänger in armseliger Dekoration, einem öden Pappmaché-Steinbruch, der hin und wieder mit kitschigen Lichtspielen beworfen wird.

Schauspielerisch kaum eingesetzt konnten die Sänger somit Großes leisten. Stimmgewaltig grandios hat sich Nina Stemme die für sie neue Rolle der Färberin angeeignet und sorgte für die monumentalsten Gesangsmomente des Abends. Evelyn Herlitzius, einst ebenfalls eine gefeierte Färberin, ließ jegliche Stimmeitelkeit fahren, um als ausdrucksintensive und scharf konturierte Amme zu begeistern. Strahlend hell berührte die wunderbare Kaiserin von Camilla Nylund. Stephen Gould stemmte mit viel Kraft und höhenstarker Intensität die undankbare Mörderpartie des Kaisers, und Wolfgang Koch gab mit seinem prächtigen Bariton nicht immer ganz schlackenlos den Barak. Auch in der Besetzung der weiteren Rollen waren keine Schwachstellen auszumachen. Sogar das verfehlt kitschige Schlussbild, in dem Huguet die Ungeborenen mit Kerzen in der Hand im Hintergrund aufstellt, war durch den Schlussjubel für die Musiker schnell wieder verdrängt.

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