Wirtschaftspolitik

Mitarbeiter abwerben ohne Ablösesummen

In der Sparte Industrie (im Bild sind Lehrlinge der voestalpine am Standort Linz zu sehen) gibt es einen kleinen Lehrlings-Boom.
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Der deutsche Handwerkspräsident fordert Entschädigungen für Ausbildungsbetriebe. Österreich plant keine Hürden beim Jobwechsel.

Von Cornelia Ritzer

Wien –„Unsere gut ausgebildeten jungen Leute werden abgeworben.“ Den Abgang von Fachkräften gleich nach der Lehre beklagte kürzlich der deutsche Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Sein Lösungsvorschlag erinnert an hochdotierte Transfers im Fußball: Wenn Fachkräfte nach einem Lehrabschluss von einem Konkurrenten abgeworben werden, soll der neue Arbeitgeber einen Teil der Ausbildungskosten übernehmen.

Denn die Betriebe stecken viel Geld in die Ausbildung ihrer Lehrlinge, so Wollseifers Begründung für seine Forderung. Vor allem zu Beginn der Lehrzeit würde ein Großteil der Kosten entstehen: „Die Ausbildung kostet im ersten und zweiten Jahr Geld – im ersten Jahr viel, im zweiten Jahr etwas weniger. Im dritten Lehrjahr kommt dann auch ein bisschen was rein.“ Nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung des deutschen Bundesinstituts für Berufsbildung lässt sich ein Betrieb einen gut ausgebildeten Mitarbeiter bei dreijähriger Ausbildung etwa 15.000 Euro kosten.

Von Entschädigungen für Ausbildungsbetriebe oder Ablösesummen hält man in der Wirtschaftskammer (WKO) wenig. „Der Lehrling hat einen Wert, ist aber keine Ware. Man muss es jedem selbst überlassen, ob er sich verändern will“, sagt Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKO. Und auch wenn angesichts des Facharbeiter-Mangels ein größerer Wettbewerb herrsche, betont Kainz: „Man kann Fachkräften nicht Beschränkungen auferlegen.“ Diese seien praktisch schwer durchführbar, und auch wenn der Ruf nach einer Ablösesumme „sehr gut wirkt, ist dieser Weg nicht geeignet“, sagt er angesichts der Diskussion in Deutschland.

Kainz spricht von „einem Bündel an Faktoren“, warum Mitarbeiter nach abgeschlossener Lehre bei einem Betrieb bleiben. Etwa, ob ein Unternehmer ein attraktiver Arbeitgeber in einer Region sei oder ob ein abwechslungsreiches Arbeitsumfeld geboten werde. Der Sparten-Geschäftsführer bestätigt, dass eine Ausbildung teuer kommen kann. 14.000 Euro netto koste eine höherwertige Ausbildung etwa zum Elektrotechniker – alle Förderungen seitens des Staates bereits abgezogen. Statt die Betriebe weiter zu belasten, schlägt Geschäftsführer Kainz ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand vor. „Die staatlichen Ausgaben für Lehrlinge sind niedriger als für AHS- oder BHS-Schüler“, rechnet er vor. Schon ein „kleiner Prozentsatz“ finanzieller Unterstützung wäre deshalb eine Hilfe für Ausbildungsbetriebe.

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