Innsbruck

Pema-Turm im Fokus: Leistbarer Wohnraum gesucht

51 Quadratmeter sind im Pema-Turm für 647 Euro Bruttomiete zu haben. Das Kellerabteil kostet 30 Euro extra, der Tiefgaragenplatz 100 Euro.
© Thomas Boehm / TT

Sieben Käufer kauften je eine von 100 untersuchten Wohnungen im Pema-Turm. Der große Rest ging laut Liste Fritz in 10er- oder 30er-Paketen an Unternehmer und Beteiligungsfonds.

Von Anita Heubacher

Innsbruck – Landtagsabgeordneter Markus Sint und der Innsbrucker Gemeinderat Thomas Mayer, beide Liste Fritz, haben das Grundbuch durchforstet. „Wir wollten anhand eines Beispiels klären, für wen in Tirol tatsächlich gebaut wird, für Investoren oder für Wohnungssuchende“, erklärt Sint. 100 Wohnungen von 173 im 50 Meter hohen Pema-Turm haben Mayer und Sint unter die Lupe genommen. Das Resultat sieht folgendermaßen aus: Sieben Käufer kauften je eine Wohnung von 100. „Ob die tatsächlich selbst eingezogen sind, die Wohnungen leer stehen oder vermietet sind, haben wir nicht untersucht.“

Schafferer selbst größter Abnehmer

Dann ist es mit den Einzelkäufen aber auch schon vorbei. Der größte Abnehmer mit 34 der 100 untersuchten Wohnungen ist laut Liste Fritz über Beteiligungs-GmbHs der Immobilienentwickler Markus Schafferer selbst. 32 Wohnungen hat Herbert Koch, jahrelanger Geschäftsführer der kika-Leiner-Gruppe, ebenfalls über Beteiligungs-GmbHs, erworben. Auf Platz drei mit 16 Wohnungen findet sich die IP Real Estate GmbH, die dem Baukonzern Porr AG direkt und über eine weitere Gesellschaft indirekt gehört und deren Hauptaktionär Klaus Ortner ist. Jener Tiroler Unternehmer, der zuletzt als Großspender für die ÖVP unter Sebastian Kurz österreichweit für Schlagzeilen sorgte. Fünf Wohnungen hat die Sauritschnig Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft gekauft, sechs die Musterhauspark Errichtung Verwaltung und Beteiligung GmbH. „93 von 100 untersuchten Wohnungen wurden von Investoren gekauft. Wir bauen also für Tiroler Unternehmer, für Spekulanten und Reich & Schön.“

Das ärgert Sint und Mayer umso mehr, als der Pema-2-Turm in Innsbruck durchaus umstritten war und von der ehemaligen Stadtregierung unter Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer mit dem Verweis auf studentisches und leistbares Wohnen verwirklicht wurde. Außerdem hat die Stadt über ihre Immobiliengesellschaft um 18,7 Millionen Euro 4060 Quadratmeter von Schafferer gekauft. „Wirtschaftsförderungen“, nannten das Kritiker.

51 Quadratmeter für 647 Euro

Sint und Mayer haben deshalb nicht nur geschaut, für wen gebaut wurde, sondern auch, ob das Wohnen im Pema-Turm „leistbar“ ist. Da genügt ein Blick auf die Homepage, um sich ein Bild zu machen. Dort wird „young urban living“ angepriesen. 51 Quadratmeter sind um 647 Euro Bruttomiete zu haben. Optional kommen ein Kellerabteil um 30 Euro im Monat oder ein Tiefgaragenplatz um 100 Euro dazu. Als Kaution sind 1100 Euro zu hinterlegen. Die Bruttomiete beträgt ohne Keller und ohne Parkplatz 13 Euro pro Quadratmeter.

Wer eine Zweizimmerwohnung mit 59 Quadratmetern kaufen will, muss 361.000 Euro auf den Tisch legen. Das macht 6118 Euro pro Quadratmeter. „In Innsbruck wird gebaut und gebaut, die Vormerkliste für sozialen Wohnbau wird aber nicht kürzer“, kritisiert Mayer.

In den Tiroler Ballungsräumen nicht nur in Innsbruck werde verdichtet und verdichtet, und auf der anderen Seite am Bedarf vorbeigebaut, ärgert sich Sint. „Seit mehr als einem Jahr warten wir auf die Leerstandserhebung und seit ewig auf den Bau eines echten Studenten-Campus.“

Dauerthema Wohnen

Pema-Gruppe: Immobilienentwickler Markus Schafferer hat in Innsbruck drei Türme errichtet. Alle drei waren und/oder sind umstritten. Während im ersten Pema-Turm ein Hotel, das Bezirksgericht und die Moser Holding untergebracht sind, sollte der zweite Turm leistbares Wohnen ermöglichen, der dritte wird ein Hotel beherbergen.

90.000 Euro Miete:

Die Stadt hat über ihre Tochter, die Innsbrucker Immobilien GmbH, IIG, im zweiten Pema-Turm 4060 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche um 18,7 Millionen Euro gekauft. 3100 Quadratmeter mietet die Stadt zurück und zahlt dafür 90.000 Euro im Monat für die nächsten 25 Jahre. Eingezogen ist die Stadtbibliothek. Kritiker sagen, dass Schafferer den Turm ohne die „Basisfinanzierung der Stadt“ niemals hätte bauen können und sprechen von „Wirtschaftsförderung für einen Investor“. Im Zentrum der Kritik ist Innsbrucks Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, die alle Vorwürfe, auch jene hinsichtlich Korruption, aufs Schärfste zurückgewiesen hat.

Landesebene:

Im Jänner präsentierte Schwarz-Grün „36 Stellschrauben“, an denen gedreht werde, um Wohnen leistbarer zu machen. Freizeitwohnsitzler und Airbnb-Vermieter sollen zum Handkuss kommen, bei Neuwidmungen muss innerhalb von zehn Jahren gebaut werden. Gemeinden sind verpflichtet, Mindestanteile für sozialen Wohnbau vorzusehen. Die Höhe des Anteils legt die Gemeinde fest. Mehr leistbarer Wohnraum, weniger Spekulation, so die Devise von Schwarz-Grün, die Opposition sprach von einem „zahnlosen Papier“.

TT-ePaper jetzt 1 Monat um € 1,- lesen

Die Zeitung jederzeit digital abrufen, bereits ab 23 Uhr des Vortags.

Verwandte Themen