Freude und Erleichterung nach Oppositionssieg in Istanbul
Der Sieg des Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu bei der Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul ist in der Türkei und im Ausland mit Freude und Erleichterung aufgenommen worden. In den Istanbuler Oppositionshochburgen Besiktas und Kadiköy tanzten in der Nacht auf Montag Menschen auf den Straßen und schwenkten Türkei-Flaggen.
Imamoglu von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) kam auf 54 Prozent der Stimmen. Er hatte schon bei der ersten Wahl am 31. März einen knappen Vorsprung errungen, doch wurde die Abstimmung auf Druck der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan annulliert. Bei der erneuten Abstimmung am Sonntag verlor Erdogans Kandidat, Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim, nun deutlich mit einem Rückstand von fast 800.000 Stimmen.
EU-Kommissar Hahn äußerte sich zufrieden darüber, dass die Behörden das Ergebnis anerkannt hätten. „Jetzt muss der Willen des Volkes in Taten verwandelt werden“, erklärte er. Auch der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert begrüßte, dass das Ergebnis nicht angezweifelt werde. Die hohe Wahlbeteiligung und der friedliche Verlauf seien „gute Zeichen für die Türkei“. Ein „sauberer Wahlprozess“ sei für das Vertrauen in staatliche Institutionen von hoher Bedeutung.
Die frühere Grüne Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan betonte auf Twitter, dass eine Niederlage für die AKP eine „Entmachtung von Erdogan“ bedeute. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda sprach von „Good news“. Und die ehemalige Grüne Politikerin und Ex-EU-Parlamentsvizepräsidentin Ulrike Lunacek sah „ein gutes Zeichen“.
In Istanbul stand zunächst die Freude im Vordergrund. Der 45-jährige Servan Soydan sagte nach den nächtlichen Feiern am Montag: „Es war nicht richtig, diese Wahl zu wiederholen, aber dass sie mit so großen Abstand gewonnen wurde, ist sogar besser für Istanbul.“ Die regierungstreue Presse kommentierte das Ergebnis nüchterner: „Istanbul hat gewählt“, titelte etwa die Zeitung „Yeni Safak“.
Die Beobachtermission des Europarats sprach von „sachkundig“ ausgeführten Wahlen. Die Stimmabgabe sei „insgesamt in einer ordnungsgemäßen und professionellen Art und Weise“ verlaufen, erklärte der Leiter der aus 14 Mitgliedern bestehenden Beobachtergruppe, Andrew Dawson. In Einzelfällen sei den Beobachtern jedoch eine „aggressive Haltung“ in Wahllokalen entgegengeschlagen.
Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) wünschte allen Istanbulern, „nach dieser unglaublichen demokratischen Reife, obwohl die Wahlen nicht fair waren, alles Gute aus Wien“. In einer Aussendung betonte TKG-Obmann Birol Kilic am Montag: „Man sollte der Türkei weiter vertrauen. Die Türkei ist in der Welt gerade ein Beispiel dafür, dass Demokratien nicht so leicht sterben.“
Auch die monatelang in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu äußerten sich zu Erdogans Niederlage. Das Wahlergebnis sei „die beste Antwort des Volkes auf Repression, Festnahme, Zensur, Verbot, Einschränkung, Willkür, Verleumdung, Vernichtung, Korruption und Missachtung“, schrieb Tolu auf Twitter. „Es ist vorbei, Herr Präsident“, kommentierte Yücel in Richtung des türkischen Staatschefs.
Der in der Türkei wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation angeklagte österreichische Student, Aktivist und freie Journalist Max Zirngast forderte „nun die Freiheit für alle politischen Gefangenen“.