Landtag statt Klassenzimmer: Tiroler Jugendliche und die Politik
An die 400 Schüler nehmen diese Woche im Landtag an der Demokratielandschaft Tirol teil. Das Projekt soll Jugendlichen Politik näherbringen. Das versuchen Politiker und Experten in Workshops zu meistern.
Von Anita Heubacher
Innsbruck – Hitzefrei sieht anders aus. Die Schülerinnen und Schüler des Franziskanergymnasiums Hall und der Handelsakademie in Landeck tauschten gestern ihre Klassenzimmer gegen den Sitzungssaal im Tiroler Landtag. Die 15-, 16- und 17-Jährigen machten sich Gedanken zur Politikvermittlung in sozialen Medien und dazu, wie manipulativ die Nachrichten bei den Wählern ankommen. „Darf man über alles abstimmen oder gibt es Grenzen?“, wollen die Schüler aus Hall von Politikwissenschafterin Lore Hayek wissen, die einen Workshop leitet. Eine Abstimmung über die Todesstrafe hält die Expertin für unzulässig, komplexe Themen wie das Handelsabkommen CETA oder den Brexit für ungeeignet.
Die Politologin muss auf vielen Gebieten bewandert sein, die Workshop-Gruppe hat sich eine ganze Reihe von Fragen einfallen lassen. „Werden Wahlen künftig noch stärker durch soziale Medien beeinflusst?“, fragen die Schüler. „Das lässt sich schwer sagen, weil wir nicht wissen, welche Kanäle noch erfunden werden“, meint Hayek.
Ein Kanal ist Facebook. Das Netzwerk von Mark Zuckerberg verbindet 2,38 Milliarden User. Für die Jugendlichen hat Facebook allerdings an Reiz verloren. „Es ist die Plattform für Über-30-Jährige geworden“, sagt Hayek. Bei Teenagern ist Instagram, kurz Insta, sehr beliebt. Es ist ein Kanal, wo Fotos und Videos hochgeladen werden.
Drei der zehn Jugendlichen, die Hayek mit Fragen bombardieren, folgen Politikern auf sozialen Medien. „Es ist wichtig, dass ihr euch verschiedene Meinungen einholt und auch Politikern folgt, deren Meinung ihr nicht teilt.“ Die Politologin warnt ganz klar von „einseitiger Information“.
Das versucht auch Gudrun Mair ihren Schülern näherzubringen. Mair transportiert politische Bildung in ihrem Geschichteunterricht. „Die Schüler sollen sich informieren.“ Der zeitunglesende Schüler sei die Ausnahme, meint die Lehrerin. „Wenn die Eltern Zeitung lesen, dann greifen auch die Jugendlichen zum Papier.“ Für Politik würden sich in dem Alter, also zwischen 15 und 16, allerdings noch sehr wenige interessieren.
Was die Schüler mitbekommen, sind die Klimademos ihrer Altersgenossen. Nicht allen, die bei „Fridays for Future“ mitmachen, nehmen die Jugendlichen allerdings das Umweltengagement ab. „Die fahren mit dem Moped hin und gehen dann für den Klimaschutz demonstrieren“, sagt ein Schüler. An keinem von ihnen ist das Ibiza-Video mit Ex-Vizekanzler HC Strache spurlos vorübergegangen. „Lächerlich“, fällt Fares dazu ein. „In der Klasse haben wir darüber Witze gemacht.“ Yannick hat mit seinem Opa einen Ausflug unternommen, als der hellhörig wurde. Opa und Enkel haben dann ferngesehen und sich im Netz informiert. Den 16-jährigen Simon hat das Video jedenfalls nicht vom Wählen abgehalten. Die Wahlen für das EU-Parlament waren seine ersten. Marie und Helena aus dem Oberland gingen ebenfalls wählen. „Das Video hat uns nicht beeinflusst“, meinen die beiden Mädchen.
Lehrerin Mair sieht es ähnlich wie Politologin Hayek. „Die Schüler sollen zu mündigen Bürgern werden, die mit dem hohen Gut der Demokratie umgehen können.“ Die Demokratielandschaft fand heuer zum 9. Mal statt.