Gemeinschaftskraftwerk Inn: Fertigstellung wegen Steinschlag verschoben
Die Arbeiten am Gemeinschaftskraftwerk verzögern sich erneut um ein weiteres Jahr. Probleme gibt es derzeit auch beim Gepatschspeicher.
Von Matthias Reichle
Ovella, Prutz –Die Pannenserie beim Gemeinschaftskraftwerk Inn (GKI) reißt nicht ab. Der Fertigstellungstermin für das derzeit größte Laufkraftwerk im Alpenraum muss erneut um ein Jahr verschoben werden. Grund ist die Steinschlaggefahr bei der Wehrbaustelle in Ovella (Schweiz). „Am 9. März sind 300 Kubikmeter Fels abgebrochen“, erinnert GKI-Geschäftsführer und Tiwag-Vorstand Johann Herdina. Damals glaubte man, dass das Problem bis Juni gelöst sein würde. „Es wird jetzt November. Von zwölf Monaten des Jahres 2019 reißen wir elf Monate Verzug auf.“
Herdina weiter: „Wir müssen davon ausgehen, erst 2023 das erste Vollbetriebsjahr zu fahren.“ Erst im April war der Fertigstellungstermin auf Herbst 2021 verschoben worden (Vollbetrieb 2022). Es gebe keine Abkürzung – „auch ein kleiner Stein ist tödlich“. Die betroffene Felswand muss offenbar aufwändiger gesichert werden als prognostiziert: So werden eine zusätzliche Netzreihe und weitere Ankerbalken angebracht. „Bei so einem Ereignis werden alle nervös“, so Herdina. Am Dotierkraftwerk kann erst im Spätherbst weitergebaut werden.
Erfreulich verlaufe inzwischen allerdings der bislang ebenfalls pannenreiche Stollenvortrieb. Nachdem die Nordmaschine bereits Anfang April am Ziel angekommen ist, fehlten der Südmaschine gestern noch 338 Meter. Herdina geht davon aus, dass sie in 14 Tagen, spätestens aber bis Mitte Juli ihr Soll erreicht hat.
Kosten und Zeitplan für die Fertigstellung des GKI wurden nun bereits mehrfach nachgebessert. Bei Baustart rechnete man noch mit einer Inbetriebnahme 2018 und 461 Mio. Euro Investitionen. 2017 waren es schon 532,5 Mio. Euro. Erst im vergangenen Jahr wurden die Projektkosten beim GKI aufgrund der Verzögerungen auf 604,9 Mio. Euro erhöht. Dabei war allerdings auch eine Risikoreserve eingeplant. „Wir werden mit dem Geld auskommen“, so Herdina – trotz der Verschiebung. Dazu trage auch der Vortrieb im Stollen bei. Allerdings verliert man ein Jahr, in dem das Kraftwerk in Betrieb sein könnte. Bei einem aktuellen Strompreis von knapp 40 Euro pro Megawattstunde sind das rund 16 Mio. Euro. „Für mich stellt sich die Frage, ob man den richtigen Wehrstandort unter dieser hohen Wand gewählt hat“, erklärt Herdina. „Der Standort ergab sich zwangsweise“ – so sein Resümee. Weiter hinten hätte man nicht das Speichervolumen erzielt, weiter vorne liege ein Lawinenstrich. Man würde wieder genau so bauen, aber es anders vorbereiten und mit den Hangsicherungen zwei Jahre früher beginnen.
Allerdings soll das die letzte Verschiebung sein. „Mit 2023 haben wir jetzt eingerechten, dass wir noch eineinhalb schlechte Winter haben. Ich gehe am 31.12.2022 in Pension. Ich habe gesagt, davor werde ich fertig.“
Ein weiteres Problem hat die Tiwag derzeit auch beim Gepatschspeicher im Kaunertal. Der rechte Hang, der täglich überwacht wird, bewegt sich stärker als bisher. „Wir reden von sechs Millimetern im ganzen Zeitraum“, so Herdina. Dennoch hat man die rechte Uferstraße vorerst gesperrt und die Überwachungsintervalle erhöht.