Sexualpädagogik

Schulverweis für Experten: Fataler Rückschritt?

Sexualpädagogik soll in den Schulen künftig den Lehrkräften vorbehalten sein.
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Künftig sollen externe Organisationen aus dem Sexualkundeunterricht an Schulen verbannt werden. Die Vereine schlagen Alarm. Experten sehen einen fatalen Rückschritt.

Von Manuel Lutz

Innsbruck — Eigentlich schien für alle Seiten eine zufriedenstellende Lösung gefunden worden zu sein. Nach der Debatte Ende des vergangenen Jahres um den christlichen S­exualkundeverein „TeenSTAR", der in seinen Schulungsmaterialien u. a. Homosexualität als heilbares Identitätsproblem und Selbstbefriedigung als schädlich dargestellt hat, hatte Ex-Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) den Einsatz von externen Sexualkundevereinen neu geregelt. So sollte es in Zukunft ein geplantes Akkreditierungsverfahren für Vereine geben, um die Qualität zu sichern. „Das Gütesiegel haben wir lange unterstützt und dringend gefordert", erklärt Janna Fischer von der österreichweiten Organisation „achtung?liebe".

Am vergangenen Dienstag wurde das Vorhaben jedoch über Bord geworfen. Mit den Stimmen der beiden Ex-Regierungsparteien ÖVP und FPÖ wurde ein Entschließungsantrag beschlossen, externe Organisationen sollen aus dem Unterricht verbannt werden. Die Wogen gehen erneut hoch. „Das ist ein Rückschritt bei der pädagogischen Erziehung. Wenn man keine Fachleute mehr in die Schule lässt, laufen wir Gefahr, wieder uninformierte Jugendliche zu haben", kann Tirols Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser dies nicht nachvollziehen.

Tirols Bildungsdirektor Paul Gappmaier versucht indes etwas zu beruhigen: „Der Entschließungsantrag ist sicher eine sanftere Version als ein endgültiger Beschluss. Nun hat das Ministerium die Aufgabe, die Angelegenheit zu klären."

Der Aufschrei ist vor allem bei den Organisationen groß. Beispielsweise würde man auch die AIDS-Hilfe aus dem Unterricht ausschließen. „Man darf die Lehrer damit nicht alleine lassen. Wenn man auf akkreditierte externe Vereine verzichtet, bedeutet dies einen enormen Qualitätsverlust", ist sich Fischer sicher. Das positive Feedback von Lehrern und Schülern unterstreiche dies. Die Notwendigkeit von Experten sieht daher auch Gappmaier: „Von pädagogischer Seite her wünscht man sich natürlich gute externe Begleiter."

Die Leidtragenden wären in diesem Fall die Schüler. „Die Experten sind oft näher an der Altersgruppe dran, das wirkt für die Schüler authentischer. Zudem will man gewisse Themen auch nicht mit Lehrpersonen besprechen", erklärt Harasser. Aus diesem Grund ist im Team von „achtung?liebe" niemand älter als 26 Jahre, wie die Tiroler Koordinatorin Anna Stampfer festhält: „So ist der Altersunterschied nicht so groß. Die Zielgruppe unserer Organisation sind Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren."

Nun wird fieberhaft versucht, die handelnden Personen zum Umdenken zu bewegen. So hat die Petition „#redmadrüber", die sich für qualitätsvolle Sexualpädagogik an Österreichs Schulen starkmacht, bis gestern knapp 14.000 Unterschriften auf ihrer Homepage gesammelt. Auch Harasser hofft: „Wir wollen einen Vorstoß machen und alle Parteien sowie einzelne Personen kontaktieren." Eine Lösung soll zeitgerecht, spätestens aber bis zum Schulstart, gefunden werden, sagt Gappmaier: „Egal was kommt, wir werden es umsetzen. Sollten externe Experten ausgeschlossen werden, müssen wir auch unsere Pädagogen dementsprechend fortbilden."

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