„Sea-Watch 3“-Kapitänin im Hafen von Lampedusa festgenommen

Nach 17 Tagen Tauziehen und ohne Zustimmung Italiens hat das deutsche Flüchtlings-Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ in der Nacht auf Samstag im Hafen der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa angelegt. Die deutsche Kapitänin Carola Rackete führte das Schiff in den Hafen der Insel und wurde festgenommen. Ihr drohen bis zu 15 Jahren Haft. Die 40 Migranten wurden in einem Flüchtlingslager untergebracht.

Rackete wird vorgeworfen, sich der italienischen Zollpolizei widersetzt zu haben, die sie mit einem Motorboot daran hindern wollte, anzulegen. Nur knapp konnte die Zollpolizei einen Zusammenstoß vermeiden, das Motorboot wurde beschädigt. Das erschwert die Position der 31-jährigen Rackete, der ohnehin bereits Verletzung des italienischen Seerechts und Beihilfe zur illegalen Einwanderung angelastet werden.

Fernsehbilder zeigten, wie Rackete unter dem Applaus einiger Umstehenden aus dem Schiff abgeführt und anschließend vom Hafen weggebracht wurde. Die Kapitänin aus Kiel wurde unter Hausarrest gestellt. Die Deutsche gab eine Wohnung auf Lampedusa als Domizil an, wie italienische Medien berichteten. Das Schiff wurde beschlagnahmt. Der Kapitänin und der deutschen NGO Sea-Watch drohen eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro.

Die italienische Regierung hatte vor zwei Wochen ein umstrittenes Sicherheitsdekret beschlossen, wonach Kapitäne, Eigentümer und Betreiber von Flüchtlingsschiffen mit bis zu 50.000 Euro Strafe, sowie mit der strafrechtlichen Verfolgung wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und mit Beschlagnahme der Schiffe rechnen müssen, wenn für die Einfahrt in die italienischen Hoheitsgewässer keine Genehmigung vorliegt.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini warf Rackete, „kriminelles Verhalten“ vor. Sie habe unter anderem das Leben von Zollpolizisten aufs Spiel gesetzt. „Die Gesetzlose ist verhaftet worden. Piratenschiff beschlagnahmt. Große Strafe für ausländische Nicht-Regierungsorganisation. Flüchtlinge alle auf andere europäische Länder verteilt. Mission erfüllt“, twitterte Salvini am Samstag. Fünf Länder hätten sich bereit erklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen, sagte Salvini. Dabei handelt es sich laut Medienangaben um Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Finnland und Portugal. Sollte Rackete nicht sofort vor Gericht landen, drohe ihr die sofortige Ausweisung nach Deutschland, sagte Salvini.

Ein Sea-Watch-Sprecher wies die Vorwürfe zurück und erklärte, Rackete habe sich streng an internationales Recht gehalten. Sie habe lediglich im Interesse der Migranten gehandelt, nachdem Italien kein Signal gegeben hatte, die Flüchtlinge an Land gehen lassen zu wollen, während sich die Lage an Bord wesentlich verschlechtert hatte. Die oppositionelle Demokratische Partei (PD) warf Salvini vor, für das Eskalieren des „Sea-Watch 3“-Dramas verantwortlich zu sein, da er tagelang den Migranten die Landung auf Lampedusa verweigert hatte.

EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos bestritt, dass Brüssel Italien im Umgang mit der Migrationsproblematik im Stich gelassen habe. „Leider denken einige EU-Mitgliedsstaaten, dass was an der italienischen Küste geschieht, nicht ihr Problem sei. Das ist falsch, denn die italienische Grenze ist die gemeinsame EU-Außengrenze“, sagte Avramopoulos im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“. Er dankte den fünf EU-Ländern Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Finnland, die sich zur Aufnahme der jüngsten „Sea-Watch 3“-Migranten bereit erklärt haben, so Avramopoulos.

Linksparteien, Gewerkschaften und katholische Verbände starteten unterdessen in Italien eine Kampagne für die Freilassung von Rackete. „Free Carola“ lautet der Slogan der Kampagne, die auch massiv auf sozialen Medien geführt wird. Demonstrationen sind in den nächsten Tagen für die 31-jährige Kapitänin geplant, unter anderem in Rom am Samstagabend. Die oppositionelle Demokratische Partei (PD) betonte, Rackete habe aus humanitären Gründen dem italienischen Verbot getrotzt und das Schiff in den Hafen Lampedusa geführt.

Auch der Vatikan beobachtet die Entwicklungen rund um die festgenommene Kapitänin. „Menschenleben muss um jeden Preis gerettet werden. Das ist der Polarstern, der uns führt, der Rest ist Nebensache“, erklärte der vatikanische Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin, nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA.

Fünf oppositionelle Parlamentarier, die sich an Bord der „Sea-Watch 3“ befanden, als Rackete den Hafen ansteuerte, erklärten sich zudem bereit, vor Gericht für die Kapitänin auszusagen. „Wir waren an Bord des Schiffes in den letzten zwei Tagen vor der Landung und sind zur Aussage vor Gericht bereit“, so der Parlamentarier der Partei „+Europa“, Riccardo Magi.