EU-Sondergipfel soll Streit über Spitzenposten beilegen
Nach einer fünfwöchigen Hängepartie soll ein EU-Sondergipfel am Sonntagabend den Streit über die Nachfolge von Kommissionschef Jean-Claude Juncker endlich beilegen. Chancen auf das mächtige Amt hat offenbar der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans. Der deutsche Anwärter, der CSU-Politiker Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP), ist für einen anderen Topjob im Gespräch.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Samstag von einer möglichen Lösung mit Weber und Timmermans gesprochen. Die beiden hatten ihre Parteienfamilien als Spitzenkandidaten in die Europawahl Ende Mai geführt, und das Europaparlament will nur einen der Spitzenkandidaten als Chef der EU-Kommission wählen. „Auf jeden Fall sind die beiden Spitzenkandidaten Teil der Lösung, und das ist ganz wichtig“, sagte Merkel beim G-20-Gipfel im japanischen Osaka.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hat vor dem Gipfel weiter nach einer Lösung zur Neubesetzung gesucht. Tusk beriet am Vormittag mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sanchez (Sozialdemokraten) und den Europa-Parlamentariern Guy Verhofstadt und Dacian Ciolos (Liberale), wie er auf Twitter mitteilte.
Anschließend wollte Tusk mit den Fraktionschefs aller Parteien im Europaparlament zusammentreffen. Der Sondergipfel soll endlich den Streit über die Nachfolge des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker beilegen. Chancen auf das mächtige Amt hat offenbar Timmermans, auch wenn er in einigen östlichen Mitgliedsstaaten auf Vorbehalte trifft. Der deutsche Anwärter, Weber war zuletzt für das Amt des EU-Parlamentspräsidenten oder eines ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission im Gespräch.
Um Junckers Nachfolge beworben hat sich auch die dänische Liberale Margrethe Vestager, die aber nicht alleinige Spitzenkandidatin ihrer Parteienfamilie war. Viele andere Namen wurden seit der Europawahl immer wieder genannt, darunter Brexit-Unterhändler Michel Barnier, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, Weltbank-Managerin Kristalina Georgiewa oder die Regierungschefs der Niederlande, Mark Rutte, und Kroatiens, Andrej Plenkovic.
Vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron ist Gegner des Spitzenkandidaten-Prinzips, das dem direkt gewählten EU-Parlament großen Einfluss gibt. Macron stellte sich bei zwei Gipfeln im Mai und Juni auch vehement gegen den Deutschen Weber, obwohl dessen EVP bei der Wahl stärkste Partei geworden war. Die „Welt am Sonntag“ meldete, Weber sei nun für den Posten des Kommissionschefs aus dem Rennen. Genannt wurde der CSU-Politiker stattdessen zuletzt für das Amt des EU-Parlamentspräsidenten oder eines Ersten Vizepräsidenten der Kommission.
Neben dem Amt des Kommissionspräsidenten - einer Art Brüsseler Regierungschef der EU - sind nämlich noch weitere Spitzenposten zu besetzen: Gesucht werden Präsidenten des Europäischen Rats, des EU-Parlaments und der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie ein neuer Außenbeauftragter. Der Gipfel soll ein Personalpaket schnüren aus Männern und Frauen, verschiedenen Parteien und unterschiedlichen EU-Regionen. Einige der Kandidatennamen für die Juncker-Nachfolge könnten für andere Posten wieder auftauchen.
Tagsüber wird am Sonntag noch verhandelt: EU-Ratschef Donald Tusk trifft die Fraktionschefs im Parlament (11.30 Uhr). Nachmittags kommen die EVP und die Sozialdemokraten zu getrennten Vorgesprächen zusammen (16.00 Uhr), bevor der Gipfel beginnt (18.00 Uhr).