Streit um neue EU-Führung bei Sondergipfel in Brüssel

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben am Sonntagabend erneut über die neue Führung für die Europäische Union gestritten. Bei einem Sondergipfel in Brüssel lag zwar ein Personalvorschlag vor: EU-Kommissionschef sollte demnach nicht der CSU-Politiker Manfred Weber, sondern der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans. Doch dagegen gab es heftigen Widerspruch.

Seit der Europawahl Ende Mai ringen die EU-Staaten und das Europaparlament um die Besetzung des Spitzenamts in der Kommission und andere Topjobs. Beim Ankommen in Brüssel sagten die meisten Gipfelteilnehmer, die Zeit sei reif für eine Entscheidung. „Ich bin der Meinung, dass wir heute zum Abschluss kommen müssen“, betonte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Knifflig war aber vor allem seine eigene Nachfolge im Herbst.

Eine Mehrheit im EU-Parlament will nur einen der Europawahl-Spitzenkandidaten als Kommissionschef wählen - das betonte Parlamentspräsident Antonio Tajani beim Gipfel nochmals. Damit blieben eigentlich nur Weber, dessen Europäische Volkspartei (EVP) bei der Europawahl im Mai stärkste Fraktion wurde, und Timmermans, dessen Sozialdemokraten zweite Kraft wurden.

Weber hat aber im Rat der Staats- und Regierungschefs keine Mehrheit. Der Rat fühlt sich auch an das Spitzenkandidatenprinzip nicht gebunden. Andererseits braucht jeder Kandidat letztlich die Mehrheit im Parlament. Angesichts dieser Ausgangslage sagte die deutsche Kanzlerin Merkel: „Es werden keine sehr einfachen Beratungen.“ Der Start des Gipfels wurde am Abend mehrfach verschoben.

EU-Ratschef Donald Tusk hatte nach Gesprächen mit Merkel und anderen Regierungschefs erstmals ein mögliches Personalpaket vorgelegt: Ein Sozialdemokrat als Kommissionschef, EVP-Politiker für die Ämter des Parlamentspräsidenten und der EU-Außenbeauftragten und ein Liberaler als neuer Ratschef, also Tusks Nachfolger. Merkel, deren CDU zur EVP gehört, akzeptierte dies offenbar, um das Prinzip des Spitzenkandidaten zu retten. Damit schien Timmermans in der besten Startposition.

Der französische Präsident Emmanuel Macron, der an den Vorberatungen beteiligt war, zeigte sich offen für Timmermans - aber auch für den Brexit-Unterhändler Michel Barnier und die dänische Liberale Margrethe Vestager für den Posten des Kommissionschefs. Vestager hatte sich zwar im Wahlkampf präsentiert, war aber nicht alleinige Spitzenkandidatin ihrer Parteienfamilie.

Doch zeichnete sich bei der EVP breiter Widerstand dagegen ab, Timmermans und den Sozialdemokraten das Amt des Kommissionschefs zu überlassen. Bei parteiinternen Vorberatungen hätten sich die meisten Teilnehmer gegen Timmermans ausgesprochen, hieß es aus Parteikreisen. Der irische Regierungschef Leo Varadkar betonte, Timmermans sei als Kommissionschef noch längst nicht durch. Varadkars Partei gehört ebenfalls zur Parteienfamilie EVP.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein meinte zu dem Personal-Poker: „Ich hoffe, dass man mit einem Ergebnis nach Hause kommt, das für alle mehrheitsfähig ist und für Europa Sinn macht“. Beim EU-Gipfel muss für den Posten des Kommissionspräsidenten eine Einigung gefunden werden, die von mindestens 21 Staaten mitgetragen wird, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren.

Gesucht wird auch ein neuer Präsident für die Europäische Zentralbank. Am Sonntag war aber unklar, ob über diese Position in diesem Personalpaket mit entschieden wird.