Lawinendrama in St. Anton: Verfahren gegen Ersthelfer eingestellt
Nach dem Lawinenabgang im Jänner, bei dem ein 16-Jähriger ums Leben kam, hat die Staatsanwaltschaft bekannt gegeben, dass sich der Erstretter sach- und fachgerecht verhalten habe.
Innsbruck, St. Anton am Arlberg – Die Ermittlungen gegen einen Retter nach einem tödlichen Lawinenabgang in St. Anton am Arlberg sind eingestellt worden. Das teilte die Staatsanwaltschaft Innsbruck gestern mit. Bei der Tragödie im Jänner diesen Jahres war ein 16-jähriger Deutsch-Australier vor den Augen seiner Familie von den Schneemassen verschüttet worden. Zwar habe der Ersthelfer „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ die tödliche Lawine ausgelöst, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Weil er sich aber „sach- und fachgerecht“ verhalten habe, könne ihm kein Vorwurf gemacht werden.
Rückblende: Mittwoch, 9. Jänner 2019, im Skigebiet von St. Anton. Es schneit. Eine vierköpfige Familie, die in Australien lebt, fährt vom Gampen aus in den freien Skiraum ein. Der aus Deutschland stammende Vater (58), die Mutter (55) und die beiden Söhne im Alter von 14 und 16 Jahren, geraten dabei in steiles V-Tal. Das Gelände und die hohen Schneemassen machen ein Weiterkommen unmöglich. Die Familie setzt einen Notruf ab. Bei der anschließenden Rettungsaktion kommt es dann zu dem Unglück. Eine Lawine geht ab, reißt die Mutter und den 16-Jährigen mit. Während sich die 55-Jährige selbst befreien kann, kommt für ihren Sohn jede Hilfe zu spät. Er wird unter einer zwei Meter hohen Schneedecke begraben und kann nur noch tot geborgen werden.
Nach dem Unglück hatte die Familie den Vorwurf aufgebracht, dass ein Pistenretter die tödliche Lawine ausgelöst hatte. Bevor der Mann zu ihnen angefahren sei, seien sie „nicht unmittelbar in Gefahr gewesen“, werden die Eltern des Getöteten in der britischen Tageszeitung Guardian zitiert.
Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft argumentiert ihre Entscheidung damit, dass alle Einsatzkräfte „strategisch und rettungstechnisch richtig agiert“ hätten. „Witterungsbedingt war eine Suche mit Hubschrauber nicht möglich, ebenso wenig eine Sicht vom gesicherten Skiraum aus. Es war daher notwendig, zu versuchen, von einer Kante aus in das Tal einzusehen, um die Gruppe orten zu können. Obwohl sich der Retter noch im flachen Gelände befand, wurde durch seine Zusatzbelastung die Lawine ausgelöst.“
Erfreut über den Ausgang der Untersuchung zeigte sich gestern Hermann Spiegl, Landesleiter der Bergrettung Tirol. „Die Einstellung des Verfahrens zeugt von Hausverstand in der Rechtsprechung.“ Obwohl jeder Fall aufs Neue zu beurteilen sei, ist es für Spiegl eine „richtungsweisende Entscheidung. Jene, die nur Gutes tun und helfen wollen, müssen weniger Angst haben, vor Gericht zu landen.“ (TT, bfk)