Zusammenstöße am Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China
Am Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie Hongkong an China hat es in der Finanzmetropole am Montag neue Massenproteste und Zusammenstöße gegeben. Regierungskritische Demonstranten versuchten, das Parlament zu stürmen, die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Pfefferspray.
Später zogen Zehntausende Menschen friedlich durch die Stadt und forderten den Rücktritt der Peking-treuen Regierungschefin Carrie Lam. Bereits in der Früh des Jahrestags blockierten Demonstranten eine Hauptstraße. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke gegen die Demonstranten ein. Mindestens eine Demonstrantin erlitt eine blutende Kopfverletzung. Einige Demonstranten warfen Eier auf Polizisten. Nach Polizeiangaben mussten 13 Beamte ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem sie mit einer „unbekannten Flüssigkeit“ übergossen worden seien.
Später versuchten kleinere Gruppen von überwiegend jungen und maskierten Demonstranten, das Parlament zu stürmen. Die Aktivisten zerstörten Fensterscheiben des Gebäudes und versuchten, sich gewaltsam Zugang zu verschaffen. Dabei setzten sie einen Metallwagen ein, den sie gegen die Glastüren rammten.
Im Inneren des Gebäudes waren Polizeikräfte mit Gasmasken zu sehen. Die Beamten sprühten von oben Pfefferspray auf die Demonstranten, die sich mit Regenschirmen dagegen schützten. Einige Abgeordnete versuchten einzuschreiten und die Demonstranten von einer Erstürmung des Gebäudes abzuhalten.
„Dies ist nicht das, was wir wollen, aber die Regierung hat uns gezwungen, uns so auszudrücken“, sagte der 20-jährige Demonstrant Benny. Der 24-jährige Demonstrant Cheung sagte: „Wir wissen, dass dies gegen das Gesetz verstößt, aber wir haben keine Wahl.“
Letztlich gelang es den Demonstranten, ein Loch in das Sicherheitsglas des Haupteingangs zu schlagen. Im Innern zog sich die Polizei hinter Metallbarrieren zurück, die den Rest des Gebäudes abriegelten.
An einem friedlichen Protestmarsch durch das Stadtzentrum nahmen später Zehntausende Demokratie-Aktivisten teil. Sie forderten den Rücktritt Lams und eine Abkehr der von ihnen beklagten Einschränkung ihrer Freiheiten.
In Hongkong gibt es seit Wochen beispiellose Proteste, die sich zunächst vor allem gegen ein geplantes und inzwischen ausgesetztes Auslieferungsgesetz der politischen Führung richteten. Dieses sollte auch Auslieferungen an Festland-China ermöglichen. Inzwischen richten sich die Proteste auch generell gegen die Peking-treue Führung.
Überschattet werden die friedlichen Proteste jedoch vom zunehmend radikalen Vorgehen einiger Demonstranten. Am Sonntag gab es in der Stadt eine große Gegendemonstration zur Unterstützung der Polizei.
Nach dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ wurden der früheren britischen Kronkolonie Hongkong bei der Übergabe 1997 eigentlich bis 2047 politische Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit zugesichert, die in China nicht gelten. Angesichts der Entwicklung in den vergangenen Jahren sehen viele Hongkonger diese Freiheiten in Gefahr.
Zum Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China gibt es jedes Jahr einen Protestzug durch die Stadt, bei dem die Teilnehmer mehr demokratische Freiheiten fordern. Dazu zählt etwa die Wahl des Regionalregierungschefs.
Regierungschefin Lam lehnt Rücktrittsforderungen bisher ab und hält sich seit der Aussetzung des umstrittenen Auslieferungsgesetzes weitgehend von der Öffentlichkeit fern. Am Montag nahm sie an einer Zeremonie zum 22. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China teil. Als erste Regierungschefin in der Geschichte Hongkongs beobachtete sie die Zeremonie jedoch vom Inneren eines Gebäudes aus.
„Was in den vergangenen Monaten passiert ist, hat zu Konflikt und Streit zwischen der Regierung und den Bürgern geführt“, sagte Lam in einer Ansprache. Als Politikerin habe sie verstanden, dass sie „aufmerksam“ sein und „die Gefühle der Menschen erfassen“ müsse.