„Schuldenbremse“ soll im Herbst in die Verfassung
ÖVP, FPÖ und NEOS unternehmen einen neuen Anlauf zur Verankerung der „Schuldenbremse“ in der Verfassung. Ein entsprechender Antrag soll am Dienstag eingebracht und im Herbst beschlossen werden. Dass die neuen Regeln dann tatsächlich in Kraft treten, gilt aber als ausgeschlossen: die SPÖ lehnt sie weiter ab und kann das Vorhaben im Bundesrat blockieren.
Mit dem in einer gemeinsamen Pressekonferenz im Parlament vorgestellten türkis-blau-pinken Antrag würde die einfachgesetzlich bereits seit 2017 geltende „Schuldenbremse“ in den Verfassungsrang gehoben. Das Defizit des Bundes darf demnach maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, jenes der Länder und Gemeinden in Summe maximal 0,1 Prozent. Höhere Schulden machen darf der Staat in Wirtschaftskrisen, „außergewöhnlichen Notsituationen“ und bei Naturkatastrophen. Allerdings müssen diese Überschreitungen auf einem „Kontrollkonto“ verbucht und in weiterer Folge wieder abgebaut werden.
ÖVP-Klubchef August Wöginger und Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs von der FPÖ lobten das Vorhaben als Zeichen von „Hausverstand“. „Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben, als man einnimmt“, sagten Fuchs und Wöginger unisono. „Es ist ein Bohren von harten Brettern. Es geht sehr, sehr langsam etwas weiter und manchmal geht es dann ganz schnell“, lobte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Einigung.
Die SPÖ lehnt das Vorhaben allerdings weiterhin ab und kann es im Bundesrat blockieren. Der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried wertet die Schuldenbremse als wiederholten Versuch der ÖVP, das Parlament am Arbeiten zu hindern, wie er parallel zur Pressekonferenz in der Plenardebatte sagte: „Der wahre Grund für diese ganzen Ambitionen ist, dass sie es nicht akzeptieren wollen, dass sie erstmals seit 30 Jahren im Parlament überstimmt werden.“
Auf APA-Anfrage wollte Leichtfried keine abschließende Bewertung abgeben, weil er den Antrag erst kurz zuvor bekommen habe. Allerdings hält er das türkis-blau-pinke Vorhaben für „keine Maßnahme, die fortschrittliche Politik ermöglicht“. Inhaltlich verwies er auf Aussagen von SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer, der die Schuldenbremse zuvor als „Investitionsbremse“ bezeichnet hatte, die den Kampf gegen den Klimawandel behindere.
Wöginger räumte auf Nachfrage ein, dass man sich der im Bundesrat nötigen Zustimmung der SPÖ nicht versichert hat. Wenn die SPÖ eine nachhaltige Budgetpolitik wolle, dann könne sie im Bundesrat zustimmen, so Wöginger: „Die SPÖ hat die Möglichkeit, im Bundesrat zuzustimmen, dann geht es durch.“
Dass auch die ÖVP selbst mit dem geplanten Beschluss von Steuersenkungen und höheren Mindestpensionen bei langer Erwerbstätigkeit gegen die Schuldenbremse verstoßen könnte, wies Wöginger zurück. Denn beides sei in der mittelfristigen Haushaltsplanung (der abgewählten Regierung, Anm.) vorgesehen gewesen. Die deutlich höhere Kostenschätzung des Sozialministeriums (420 statt 60 Mio. Euro jährlich) teile er nicht.
Zumindest bei den Mindestpensionen sieht Meinl-Reisinger die Sache allerdings anders. Sie will den Antrag daher im Ausschuss weiter diskutieren und ansonsten nicht zustimmen, obwohl sie das Anliegen grundsätzlich unterstützt. „Mit der Schuldenbremse können wir solche Beschlüsse nicht fassen“, sagte Meinl-Reisinger angesichts der ungeklärten Kostenfrage bei den Mindestpensionen.
Der Vorstoß von ÖVP, FPÖ und NEOS fand beim liberalen Think-Tank Agenda Austria Beifall: „Die Schuldenbremse ist prinzipiell eine begrüßenswerte Maßnahme für eine solide Budgetpolitik“, erklärte Denes Kucsera, Ökonom und Projektleiter für Budget und Steuern bei der Agenda Austria, in einem Statement gegenüber der APA. Sie müsste laut Ansicht der Agenda Austria aber „jedenfalls von einer strengen Ausgabenbremse flankiert werden“: „Österreich hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem. Damit künftig in guten Jahren auch Überschüsse anfallen, braucht es eine glaubwürdige Beschränkung für das Wachstum der Staatsausgaben.“
Nur mit einer glaubwürdigen Ausgabenregel sei davon auszugehen, dass die Steuerzahler in den kommenden Jahren auch entlastet werden. „Solange die Ausgaben immer weiter steigen, führt eine Schuldenbremse vor allem zu dem Druck, über höhere Steuern für mehr Einnahmen zu sorgen. Die verfassungsmäßige Schuldenbremse würde zwar eingehalten, aber die Steuerlast in noch ungesündere Höhen klettern“, so Kucsera.
Äußerst kritisch zur Schuldenbremse äußerte sich hingegen AK-Chefökonom Markus Materbauer: Denn derartige Vorgaben würden Abschwungphasen zu Kürzungen öffentlicher Ausgaben führen. „Das kann die Verlängerung und Vertiefung von Wirtschaftskrisen und vor allem einen dauerhaften Anstieg der Arbeitslosigkeit nach sich ziehen“, warnte der Experte.
Zweitens verhindere die Schuldenbremse ökonomisch langfristig für Gesellschaft und Wirtschaft vernünftige öffentliche Investitionen. „Besonders bei Negativzinsen (wie derzeit) und bei hohen Erträgen öffentlicher Investitionen (Klimakrise) ist das volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich unsinnig.“ Und Drittens verhindere die Regelung die Ausschöpfung des Wohlstandspotenzials der österreichischen Volkswirtschaft - nämlich dann, „wenn zentrale wirtschaftspolitische Ziele wie der Abbau der Arbeitslosigkeit, die notwendigen öffentlichen Investitionen oder ein Anstieg der verfügbaren Einkommen nachrangig gegenüber Defizitzielen sind“.