Zeichen auf Von der Leyen als Kommissionspräsidentin

Das Postenkarussell in Brüssel dreht sich rasant: Am Dienstagnachmittag wurde die deutsche Verteidigungsministerin und CDU-Politikerin Ursula Von der Leyen plötzlich als Favoritin für den EU-Kommissionsvorsitz gehandelt. Damit käme keiner der Spitzenkandidaten für den Posten zum Zug. Bilaterale Verhandlungen dauerten allerdings an, das Treffen der gesamten Gipfelrunde wurde neuerlich verschoben.

Abgesehen von der konservativen Politikerin Von der Leyen tauchten im Laufe des Tages weitere neue Namen auf, die Teil des Personalpakets sein sollen. Nach Angaben von Diplomaten sei der liberale belgische Ministerpräsident Charles Michel für den Posten des EU-Ratspräsidenten vorgesehen. Als Anwärter für den EU-Außenbeauftragten zirkulierten zuletzt die beiden Sozialisten Josep Borrell und Maros Sefcovic. Der Slowake Sefcovic hat aktuell die Funktion eines EU-Vizekommissionspräsidenten inne, Borrell ist derzeit spanischer Außenminister. Er wurde neben EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber auch als Parlamentspräsident gehandelt. Die aus Frankreich stammende IWF-Chefin Christine Lagarde soll die Führung der EZB übernehmen.

Es wird erwartet, dass der amtierende EU-Ratspräsident Donald Tusk noch so lange Einzelgespräche führt, bis sich eine Mehrheit oder ein Konsens auf das neue Paket abzeichnet. Da die Verhandlungen nach wie vor schwierig sein dürften, hatte sich der Beginn der Wiederaufnahme des Sondergipfels mehrfach verzögert. Ursprünglich war 11.00 Uhr geplant gewesen, nach letzten Informationen sollen die 28 Staats- und Regierungschefs nun um 15.15 Uhr in der großen Runde zusammentreffen.

Am Montag hatte es kurzfristig bereits nach einer Annäherung zu den EU-Topjobs ausgesehen. Der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans wurde als Favorit für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission gehandelt. Die restliche Postenbesetzung - mit Ausnahme des Vorsitzenden der Europäischen Zentralbank (EZB) - sollte demnach folgendermaßen aussehen: Die bulgarische Weltbank-Vertreterin Kristalina Georgiewa als EU-Ratspräsidentin, der belgische Regierungschef Charles Michel als EU-Außenbeauftragter und EVP-Spitzenkandidat Weber als EU-Parlamentspräsident.

Doch gegen diese Lösung gibt es erhebliche Widerstände. Vor allem gegen Timmermans legten sich Italien sowie die Visegrad-Staaten Tschechien, Slowakei Ungarn und Polen quer. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bezeichnete Timmermans als „Soros-Mann“. Für Tschechien Regierungschef Andrej Babis ist Timmermans ein „no go“. Timmermans sei für ihn der „Schöpfer der Migrationsquoten“.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein zeigte sich bezüglich Personalspekulationen am Dienstag erneut zurückhaltend. „An meinen Kriterien hat sich nichts geändert“, betonte sie. „Wir haben nach wie vor das Ziel eine geografische Ausgewogenheit, eine gendermäßige Berücksichtigung und eine Berücksichtigung der Wahlergebnisse zur Europawahl zu erzielen“, sagte die Bundeskanzlerin.

Trotz mehrfacher Verschiebung will der Rat spätestens am Abend zu einer Lösung kommen. Denn um 22.00 Uhr endet die Frist für jene Kandidaten, die sich für die Funktion des EU-Parlamentspräsidenten bewerben. Dieser wird am Mittwoch gewählt. Der Sondergipfel zur Vergabe der EU-Topjobs hatte bereits am Sonntagabend begonnen und wurde Montagmittag mangels Erfolgs auf Dienstag vertagt.