Von der Leyen wird neue EU-Kommissionspräsidentin
Der EU-Sondergipfel in Brüssel hat sich auf die deutsche Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen als nächste EU-Kommissionspräsidentin geeinigt. Dies teilte Luxemburgs Premier Xavier Bettel mit. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Brüsseler EU-Behörde. Der Kommissionschef muss vom EU-Parlament gewählt werden. Die Wahl soll planmäßig Mitte Juli stattfinden.
Der belgische Premierminister Charles Michel, ein Liberaler, wird demnach Ratspräsident. Als Außenbeauftragte haben sich die Staats- und Regierungschefs laut Bettel auf den spanischen Sozialisten Josep Borrell geeinigt. Die französische IWF-Chefin Christine Lagarde ist für den Chefposten der Europäischen Zentralbank vorgesehen.
Der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber kündigte zuvor in der EVP-Fraktionssitzung am Dienstag in Straßburg an, dass er sein Mandat als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Besetzung der EU-Topjobs zurückgibt. „Hier hat meine Reise im letzten September als Spitzenkandidat begonnen, hier endet sie“, wurde Weber von seinem Sprecher auf Twitter zitiert. „Ich werde weiter für ein demokratisches Europa kämpfen. Es war mir eine Ehre, diese Aufgabe für die EVP und für Europa zu übernehmen“, so der EVP-Fraktionschef demnach.
In der EU gab es positives Echo auf den Vorschlag Von der Leyen. Ein Sprecher von Ungarns Regierungschef Viktor Orban schrieb am Dienstag auf Twitter, die vier osteuropäischen Visegrad-Staaten unterstützten den Plan. Auch Italien signalisierte Zustimmung. Der EU-Gipfel begann nach intensiven Vorgesprächen in Brüssel mit mehr als fünf Stunden Verspätung.
Laut EU-Diplomaten hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron von der Leyen ins Gespräch gebracht, um doch noch eine Einigung zu ermöglichen. Merkel sagte bei ihrem Eintreffen zum dritten Gipfeltag, die EU werde „mit neuer Kreativität an die Arbeit gehen“.
Für den Leiter der SPÖ-EU-Delegation Andreas Schieder ist Von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin „ein schlechter Vorschlag“. Sie sei „weder Spitzenkandidatin noch überhaupt Kandidatin“ gewesen und daher „nicht zu akzeptieren“, berichtete Schieder am frühen Dienstagabend in Straßburg.
Innerhalb der sozialdemokratischen Parteienfamilie (S&D) sei die Meinung „relativ einheitlich“ gewesen, so der SPÖ-Politiker im Anschluss an ein Treffen der Delegationsleiter. Der Vorschlag sei eine „totale Abkehr vom Spitzenkandidatensystem“, das von mehreren Europaparlamentsfraktionen unterstützt wurde, und habe „gar nichts mit den EU-Wahlen“ zu tun.
Auch der Vorsitzende der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, kritisierte den Vorschlag. Er schrieb ironisch auf Twitter, von der Leyen nach Brüssel zu schicken sei „eine sehr gute Lösung“ Aber nur „für die Bundeswehr“. Im Verteidigungsministerium hatte von der Leyen zuletzt mit einer Reihe von Affären zu kämpfen.
„Sehr klares Nein, Mehrheit nicht bereit, den derzeitigen Deal über EU-Topjobs zu unterstützen“, twittert die stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten im europäischen Parlament, Tanja Fajon. Auch SPE-Generalsekretär Achim Post äußert sich im Reuters-Gespräch kritisch.
Der frühere SPD-Chef und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat scharf kritisiert, das Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Chefin der EU-Kommission werden könnte. „Ursula von der Leyen ist die schwächste Ministerin der Bundesregierung“, sagte er dem „Spiegel“. „Eine derartige Leistung reicht offenbar, um Kommissionschefin zu werden.“ Wenn er sich anschaue, „mit welchen Argumenten gegen die Qualifikation von (Frans) Timmermans und Manfred Weber für dieses Amt geschossen wurde, kann man sich im Fall von der Leyen nur an den Kopf fassen“, so Schulz.
Schulz sprach von einem „Sieg von Viktor Orbán und den Osteuropäern“. „Sie haben Frans Timmermans verhindert, der für die Rechtsstaatlichkeitsprinzipien in der EU steht.“ Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann hält von der Leyen für „nicht akzeptabel“.
Die ursprüngliche Variante vom Montag - Timmermans als Kommissionspräsident und Weber als Parlamentspräsident - wurde vor allem wegen des niederländischen Sozialdemokraten und seiner kritischen Haltung gegenüber Ungarn und Polen in Justizfragen von mehreren osteuropäischen EU-Ländern und auch Italien verworfen.