Von der Leyen wird wohl neue EU-Kommissionspräsidentin

Der EU-Sondergipfel in Brüssel hat sich auf die deutsche Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen (CDU) als nächste EU-Kommissionspräsidentin geeinigt. Dies teilte EU-Ratschef Donald Tusk nach dreitägigen Marathonverhandlungen am Dienstagabend in Brüssel mit. Von der Leyen wäre die erste Frau an der Spitze der Brüsseler EU-Behörde.

Der belgische Premierminister Charles Michel, ein Liberaler, wird demnach Ratspräsident. Als Außenbeauftragte haben sich die Staats- und Regierungschefs laut Tusk auf den spanischen Sozialisten Josep Borrell geeinigt. Die französische IWF-Chefin Christine Lagarde ist für den Chefposten der Europäischen Zentralbank vorgesehen.

Über den EU-Parlamentspräsidenten teilten die Staats- und Regierungschefs keine Entscheidung mit. Er wird am morgigen Mittwoch um 9.00 Uhr vom EU-Parlament gewählt. Der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), wird sich nicht bewerben. Dies kündigte der 46-Jährige am Dienstag seiner Fraktion an, wie ein Sprecher mitteilte.

Um den Spitzenposten im Europaparlament haben sich bereits die deutsche Ko-Vorsitzende der Grünen, Ska Keller, und die Spanierin Sira Rego von der Linkspartei beworben. Die sozialdemokratische Fraktion wollte ihre Entscheidung bis 22.00 Uhr bekanntgeben. Weber äußerte sich zunächst nicht dazu, ob er sich für die zweite Hälfte der Legislaturperiode bewerben will.

Laut Geschäftsordnung benötigt ein Kandidat in den ersten drei Durchgängen die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen. Erreicht das kein Bewerber, treten im vierten Durchgang die beiden bestplatzierten Kandidaten zur Stichwahl an. Zwischen den Wahlgängen können sich Kandidaten zurückziehen, um die Chancen eines anderen Bewerbers zu erhöhen - und um bestimmte Forderungen ihrer Fraktion durchzusetzen. Am Mittwoch ist auch die Wahl der 14 Vizepräsidenten des Parlaments geplant.

Von der Leyens Wahl ist indes noch nicht sicher. Die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament hält sie für „inakzeptabel“, teilte der frühere Fraktionschef Udo Bullmann mit. Für den Leiter der SPÖ-EU-Delegation Andreas Schieder ist die deutsche Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin einzusetzen, „ein schlechter Vorschlag“. Von der Leyen sei „weder Spitzenkandidatin noch überhaupt Kandidatin“ gewesen und daher „nicht zu akzeptieren“, berichtete Schieder am frühen Dienstagabend in Straßburg.

Der Kommissionschef muss vom EU-Parlament gewählt werden. Die Wahl soll planmäßig Mitte Juli stattfinden.

Laut EU-Diplomaten hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron von der Leyen ins Gespräch gebracht, um doch noch eine Einigung zu ermöglichen. Merkel sagte bei ihrem Eintreffen zum dritten Gipfeltag, die EU werde „mit neuer Kreativität an die Arbeit gehen“.

Für den Leiter der SPÖ-EU-Delegation Andreas Schieder ist Von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin „ein schlechter Vorschlag“. Sie sei „weder Spitzenkandidatin noch überhaupt Kandidatin“ gewesen und daher „nicht zu akzeptieren“, berichtete Schieder am frühen Dienstagabend in Straßburg.

Innerhalb der sozialdemokratischen Parteienfamilie (S&D) sei die Meinung „relativ einheitlich“ gewesen, so der SPÖ-Politiker im Anschluss an ein Treffen der Delegationsleiter. Der Vorschlag sei eine „totale Abkehr vom Spitzenkandidatensystem“, das von mehreren Europaparlamentsfraktionen unterstützt wurde, und habe „gar nichts mit den EU-Wahlen“ zu tun.

Der Vorsitzende der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, schrieb ironisch auf Twitter, von der Leyen nach Brüssel zu schicken sei „eine sehr gute Lösung“ Aber nur „für die Bundeswehr“. Im Verteidigungsministerium hatte von der Leyen zuletzt mit einer Reihe von Affären zu kämpfen.

„Sehr klares Nein, Mehrheit nicht bereit, den derzeitigen Deal über EU-Topjobs zu unterstützen“, twittert die stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten im europäischen Parlament, Tanja Fajon. Auch SPE-Generalsekretär Achim Post äußert sich im Reuters-Gespräch kritisch.

„Ursula von der Leyen ist die schwächste Ministerin der Bundesregierung“, sagte indes der frühere SPD-Chef und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz dem „Spiegel“. „Eine derartige Leistung reicht offenbar, um Kommissionschefin zu werden.“ Wenn er sich anschaue, „mit welchen Argumenten gegen die Qualifikation von (Frans) Timmermans und Manfred Weber für dieses Amt geschossen wurde, kann man sich im Fall von der Leyen nur an den Kopf fassen“, so Schulz. Schulz sprach von einem „Sieg von Viktor Orbán und den Osteuropäern“. „Sie haben Frans Timmermans verhindert, der für die Rechtsstaatlichkeitsprinzipien in der EU steht.“