Wahl des EU-Parlamentspräsidenten gestartet

Am Mittwoch hat in Straßburg die Wahl des nächsten EU-Parlamentspräsidenten begonnen. Für die Nachfolge des konservativen Amtsinhabers Antonio Tajani gilt der Italiener David-Maria Sassoli von der sozialdemokratischen Fraktion als Favorit. Sozialdemokraten und Konservative wollen sich die fünfjährige Amtszeit teilen. ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas bewirbt sich um das Amt des Vizepräsidenten.

Sassoli kandidiert, um Europa stärker zu machen, wie er sagte. Für die Zukunft erwartet er „eine harte Probe“ für die EU. Diese müsse ihre Vielfalt akzeptieren, den Haushalt kontrollieren und entscheidungsfähig sein. „Das Parlament muss das Haus der europäischen Demokratie sein.“ Sassoli verwies auf die gestiegene Wahlbeteiligung, 62 Prozent neue Abgeordnete stünden auch für „neue Energie“. Die Legislaturperiode müsse einen Wandel für ein moderneres Europa schaffen, das Vertrauen zwischen Bürgern und Institutionen müsse wieder hergestellt werden. Sassoli nannte Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, Migration, Wachstum , Arbeitsplätze und Gleichberechtigung als Herausforderungen. Er wolle sich auch dafür einsetzen, dass das Europaparlament respektiert werde.

Neben Sassoli bewerben sich die deutsche Grüne Ska Keller, die Spanierin Sira Rego von der Linksfraktion und der Tscheche Jan Zahradil von der EU-kritischen EKR-Fraktion um den Posten des EU-Parlamentspräsidenten für die nächsten zweieinhalb Jahre.

Die Wahl findet in geheimer Abstimmung statt. Um gewählt zu werden ist eine absolute Mehrheit von mehr als der Hälfte der 751 Abgeordneten erforderlich. Erhält diese keiner der Kandidaten in der ersten Runde, können neue Kandidaten für einen zweiten oder dritten Durchlauf nominiert werden. Anschließend werden die 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments gewählt. Tajani sagte in Hinblick auf den Gipfel, die Wahl finde ohne externe Einflüsse durch ein „freies und autonomes Parlament“ statt.

Keller erklärte, die Bürger hätten vor fünf Wochen ihr Wahlrecht genutzt, und ein Mandat für die Zukunft der EU erteilt. Die Wähler hätten eine klare pro-europäische Botschaft gegen die Populisten ausgesandt. „Stärken wir das Parlament heute“, forderte Keller. Es sei nicht zu akzeptieren, dass der Parlamentspräsident als Verhandlungsmasse in Hinterzimmerdeals eingesetzt werde. Sie wolle Sprecherin für die Werte der EU werden. Keller nannte Transparenz, Chancengleichheit, Arbeitnehmerrechte und Klimafreundlichkeit. Um Europa zu verteidigen, müsse man Mut zeigen.

Rego will sich für die Interessen der Arbeitnehmer und gegen Ausbeutung einsetzen. Es gehe um die Schicksale von Millionen von Menschen. Die EU dürfe sich nicht den Lobbys und den Multis unterwerfen. „Wir wollen auch nicht, dass das neofaschistische Monster Einzug erhält.“ Die Politik der EU habe ganze Länder in den Abgrund gestürzt. Rego forderte außerdem die Gründung eines Sonderausschusses zum Klimawandel. Sie nahm ausdrücklich auf die mittlerweile freigelassene Kapitänin der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch, Carola Rackete, Bezug. Wer Flüchtlinge rette, müsse geschützt werden, verlangte Rego.

Zahradil betonte, er sitze bereits seit 2004 im EU-Parlament. Dies gebe ihm eine gewisse Erfahrung für den Job. „Ein guter Präsident im Europäischen Parlament sollte unparteiisch sein“, sagte Zahradil. Es gehe aber auch um ein besseres Gleichgewicht zwischen der EU und der nationalen Ebene und unter den EU-Institutionen. Institutionelle Auseinandersetzungen müssten ein Ende haben. Er sei der Einzige aus Mittel- und Osteuropa und aus einem Land, das nicht der Eurozone angehört, der sich für einen EU-Spitzenposten bewerbe.

Othmar Karas, Leiter der EU-Delegation der ÖVP, will sich unterdessen um das Amt des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments bewerben. Dies teilte Karas am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite mit und nannte drei Prioritäten, während die Europaabgeordneten in Straßburg den EU-Parlamentspräsidenten wählten.

„‪Ich will für den Erhalt und die Weiterentwicklung der liberalen Demokratie kämpfen“, schrieb der seit 1999 als EU-Mandatar tätige ÖVP-Politiker. Er wolle, dass „das Europäische Parlament bei jeder Entscheidung auf europäischer Ebene mit an Bord ist“. „‪Und ich will, dass die Zusammenarbeit und das Miteinander mehr als je zuvor zum Programm des Parlaments werden“, erklärte Karas.

Ob seine Kandidatur erfolgreich ist, wird sich im Laufe des Tages herausstellen. Wann die Wahl des Vizepräsidenten stattfindet, ist davon abhängig, wie viele Wahlgänge nötig sind, um einen Präsidenten für das Europaparlament zu bestimmen.