Kurioses

Streng geheim: Niemand darf wissen, wer hier studiert

Im neuen Gebäude des Bundesnachrichtendienstes in Berlin werden die Agenten für ihre Aufgaben in neuen Techniken ausgebildet und geschult.
© APA/dpa/Stephan Jansen

Seit ihrem Schulabschluss arbeitet Luisa W. als Agentin. Nun bildet sie sich im geheimsten Studiengang Deutschlands weiter.

Berlin –Luisa W. ist 29, seit zehn Jahren arbeitet sie beim deutschen Bundesnachrichtendienst (BND). Die junge Frau hat Analysen im Bereich islamistischer Terrorismus geschrieben, als Agentin im Ausland gearbeitet und auch in einer Stabsstelle in der BND-Zentrale. Seit Montag ist sie eine von 50 Studentinnen und Studenten im geheimsten Masterstudiengang Deutschlands: „Intelligence and Security Studies“ (MISS) nennt sich das neue Projekt – „Geheimdienst- und Sicherheitsstudien“.

Luisa W. und ihre Kommilitonen sind keine Studenten, wie sie sonst die Hörsäle besuchen. Zum neuen Masterstudium sind nur Geheimdienstmitarbeiter zugelassen oder Bundeswehrsoldaten, die vor allem im militärischen Nachrichtendienst eingesetzt werden.

Wenn die jungen Frauen und Männer in ihre Hörsäle wollen, müssen sie sich durch spezielle Sicherheitsschleusen in das Gebäude an der Berliner Chausseestraße zwängen. Zugang erhält ohnehin nur, wer die schärfste Sicherheitsüberprüfung bestanden hat, die es für deutsche Behörden gibt: Ü3. Nicht nur das persönliche Umfeld wird dafür überprüft, zusätzlich werden auch Referenzpersonen befragt.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Projekt die Aus- und Fortbildung der Nachrichtendienste professionalisieren. „Es geht um mehr Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Nachrichtendienste im Spannungsfeld zu immer lauteren Forderungen nach Transparenz“, sagt Studiengangsleiter Jan-Hendrik Dietrich.

23 Professoren bilden die Nachwuchs-Spione in Berlin weiter, fünf sind es in München. Insgesamt neun neue Professuren sind für den neuen Studiengang eingerichtet worden, sagt Dietrich. Vor allem Juristen, Psychologen, Politologen, Historiker und Islamwissenschafter sind darunter.

Von den 50 Studierenden, die ihr Studium aufgenommen haben, kommen 30 aus der Bundeswehr, zehn aus dem BND, sechs aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und drei aus Landesämtern für Verfassungsschutz. In den kommenden Jahren soll die Zahl der Studierenden auf bis zu 80 wachsen.

In einem sechsmonatigen Grundstudium, das in München stattfindet und für alle Pflicht ist, gibt es eine Einführung in die Geheimdienstarbeit. Die Studenten müssen sich mit ethischen Fragen wie Menschenrechten und Sicherheit befassen oder einer Einführung in technische Fragen der Digitalisierung.

Im Hauptstudium können sie dann unter Modulen wählen, die vor allem praktisch ausgerichtet sind. Da geht es u. a. um die Methoden der Agenten­arbeit wie das Sammeln und Auswerten von Informationen oder die Frage, wie die Kanzlerin oder andere Regierungsmitglieder mit den Informationen arbeiten, die für sie zusammengestellt werden.

Vor allem auf praktische Anwendungen der Spionage wird Wert gelegt: Es gibt ein voll eingerichtetes Studio, in dem die Studenten üben können, wie sie richtig und einfühlsam mit menschlichen Quellen umgehen. Fingerspitzengefühl und psychologisches Wissen sind gefragt, wenn sie später in der Realität mit solchen Informanten umgehen. Drei Kameras nehmen die Gesprächssituation auf, später kann besprochen werden, was sie hätten besser machen können.

Im Modul „Cyber Security“ sollen Hacker vom Geheimdienst zeigen, was so alles möglich ist. Auch wenn sich der Nachrichtendienst-Nachwuchs später im Studium auf spezielle Bereiche konzentriert, stehen Themen auf dem Lehrplan, die aus der Praxis kommen: Die Abwehr von Cyber-Angriffen beispielsweise, politischer Extremismus, Terrorismusbekämpfung oder Terrorismusforschung.

Luisa W. sieht den neuen Studiengang vor allem als Chance, für ihre Arbeit hinzuzulernen. „Ich möchte noch besser werden“, sagt sie. Schon als Maturantin habe sie gewusst, dass sie Agentin werden wolle, sagt die 29-Jährige. Und was macht den Reiz an der Arbeit aus, von der aus Sicherheitsgründen nur die engsten Familienangehörigen wissen dürfen? „Für mich war immer klar: Ich möchte einen Job haben, bei dem ich mir sicher bin, dass ich jeden Tag etwas tue, das Bedeutung hat.“ (dpa)