Bezirk Schwaz

„Riesendilemma“ am Arbeitsmarkt im Bezirk Schwaz

Handwerk hat goldenen Boden. Fachkräfte werden händeringend in allen Branchen gesucht.
© Yuri Arcurs

Laut Stefan Bletzacher (Wirtschaftskammer Schwaz) müssen Betriebe Aufträge mangels Mitarbeitern stornieren. Der Arbeitsmarkt sei ausgetrocknet. Ein Projekt mit spanischen Lehrlingen läuft im Gastrobereich.

Von Angela Dähling

Schwaz –Wenn es was nützen würde, würde Stefan Bletzacher laut „Hilfe“ schreien für „seine“ Unternehmer. Doch der Leiter der Schwazer Wirtschaftskammer weiß, dass das nichts bringt – wenngleich die Arbeitsmarktlage aus Sicht der Betriebe einem Notstandsgebiet gleicht. „Uns fehlen allein im Bezirk Schwaz etwa 1000 Mitarbeiter in allen Bereichen. Es ist ein Riesendilemma“, sagt er. Das Dilemma gibt auf der anderen Seite der Waage Grund zur Freude. Denn für die Arbeitnehmer ist die Situation bestens: Sie können sich bei einer Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent die Jobs aussuchen. Aktuell sind 1276 Personen in Schwaz auf Arbeitssuche. „De facto sind es aber um 1,5 % weniger. Denn diese 1,5 % haben Einstellzusagen in der Gastronomie, werden aber in der Statistik als arbeitslos angeführt“, weiß Bletzacher. Damit blieben zwei Prozent Arbeitslose übrig. Und die sind laut WK-Chef aus diversen Gründen praktisch unvermittelbar.

„Wir haben damit null Kräfte, die uns das AMS vermitteln könnte. Daher müssen teilweise Aufträge abgesagt werden“, schildert Bletzacher und berichtet von einem Tischler, der auf der Stelle fünf Mitarbeiter einstellen würde. Auch an Schlossern, Elektrikern, Installateuren mangele es ganz besonders, neben Fachkräften in Pflegeberufen und in der Gastronomie. „Was die Arbeitslosenzahlen anbelangt, führt Tirol mit einem Rückgang von neun Prozent gemeinsam mit Salzburg österreichweit die Statistik an“, weiß LA Katrin Kaltenhauser. „Der Bezirk Schwaz kann das Ganze mit einem Minus von 12 % im Vergleich zum Juni 2018 nochmals deutlich übertreffen“, fährt sie fort. Das seien in absoluten Zahlen 174 Arbeitslose weniger, ergänzt Andrea Schneider vom AMS. Fast 38.000 unselbstständig Beschäftigte (+0,6 %) gibt es im Bezirk. „So viele wie noch nie“, sagt Bletzacher.

Warum die Lage so ist, wie sie ist? „Wir haben zu wenig Kinder gemacht“, lautet Bletzachers Antwort. Die Babyboomer-Generation von 1958 bis 1968 geht nun sukzessive in Pension. „Damit bricht uns die ganze Krone weg und nur der Stamm wächst nach“, verbildlicht er die Situation.

Er erzählt von einem Gastronomen, der rund 60 Mitarbeiter habe. „Er sagte mir, 40 davon seien perfekt, aber 15 der absolute Wahnsinn. Aber er kann sie nicht austauschen.“ Stattdessen würden in manchen Firmen Mitarbeiter geschlossen mehr Geld fordern oder – teilweise ohne Einhaltung von Kündigungsfristen – die Betriebe wechseln.

Wird insgesamt zu wenig bezahlt? „Wir brauchen nicht reden, dass es Menschen gibt, die etwa als Hilfskräfte mit 1400 Euro zu wenig verdienen“, räumt Bletzacher ein. Generell passe aber die Bezahlung, sagt er und nennt als Beispiel einen 22-jährigen Elektriker, der 2000 Euro netto verdiene.

Prekär ist die Mitarbeitersituation bekanntlich seit Jahren im Gastgewerbe. Darauf hat die Schwazer Wirtschaftskammer bereits vor einem Jahr reagiert und im von Jugendarbeitslosigkeit geplagten Spanien um Gastro-Lehrlinge geworben – gemeinsam mit einem steirischen Unternehmer, der das Ganze professionell abwickelt. „Die Spanier gehen zehn Jahre in die Pflichtschule und danach zwei Jahre in Fachschulen mit verschiedenen Schwerpunkten, die aber nicht die Lehre ersetzen und damit oft wenig Praxis bieten“, informiert Bletzacher.

Das 2018 gestartete Projekt beinhaltet einen einjährigen Deutschkurs in der spanischen Fachschule mit zwei Deutschlehrern, die in Österreich unterrichtet haben, und mit B1-Niveau als Ziel. „Jetzt machen die Schüler ihre Prüfung und bewerben sich mit Lebenslauf, Foto und Video bei unseren Betrieben“, schildert Bletzacher. 23 spanische Gastro-Lehrlinge werden zwischen September und Dezember bei ihren Lehrbetrieben im Zillertal und am Achensee anreisen. „Als Anerkennung fällt das erste von drei Lehrjahren für sie weg“, erklärt Bletzacher. Die Betriebe investieren in das Projekt laut ihm übrigens zwischen 5000 und 6000 Euro pro Lehrling.

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