Mordprozess nach Bluttat mit drei Toten in NÖ gestartet

Der für zwei Tage angesetzte Prozess wegen dreifachen Mordes gegen einen 55-Jährigen hat am Donnerstagvormittag am Landesgericht Korneuburg seinen Lauf genommen. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, im Dezember 2018 auf einem Anwesen im Bezirk Mistelbach seinen Bruder, seinen Vater sowie die Stiefmutter erschossen zu haben.

Mit dem psychiatrischen Gutachten von Werner Brosch wurde der erste Tag des Korneuburger Dreifachmord-Prozesses abgeschlossen. Dem Sachverständigen zufolge waren bei den Aktionen „zweifellos heftige Emotionen im Spiel“, der Beschuldigte sei aber dennoch zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen.

Schauplatz der Bluttat am Nachmittag des 13. Dezember 2018 war das Kaminzimmer in dem Anwesen. Während eines Streits mit seinem Vater bei Kaffee und Kuchen - es ging um einen ohne Baubewilligung im Gebäude installierten Speiselift - verließ der 55-Jährige den Raum und begab sich ins Erdgeschoß. Dort holte der Österreicher aus dem Jagdzimmer eine zweiläufige Bockflinte samt Munition. Auf dem Rückweg soll der Verdächtige die Waffe mit zwei Patronen befüllt haben. Sofort, nachdem er die Tür zum Kaminzimmer geöffnet hatte, soll der Beschuldigte das Feuer eröffnet haben. Für die drei Personen im Raum - neben Bruder und Vater des Verdächtigen war auch die Stiefmutter anwesend - kam dies „völlig überraschend“, wie die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag betont hatte.

Der Verdächtige war am Nachmittag des 13. Dezember „natürlich aufgeregt“, gab Brosch zu Protokoll. „Eines ist aber Fakt: Er war in der Lage, eine sehr komplexe Handlung durchzuführen“, sagte der Gutachter in Anspielung auf das Holen und Laden der Bockflinte.

Eine heftige Gemütsbewegung, eine Voraussetzung für die von der Verteidigung geforderte Wertung der Tat als Totschlag, habe vorgelegen. Eine „pathologische Gemütsbewegung“ sei dies aber nicht gewesen. Der Angeklagte habe nicht die Schwelle überschritten, „wo man sagen kann, dass ein Automatismus über ihn die Herrschaft übernommen hat“. Manche Aspekte des Vorgehens des 55-Jährigen „sprechen für ein Affektdelikt“, sagte Brosch. Andere, wie beispielsweise das Verhalten des Beschuldigten nach der Tat, passen hingegen nicht dazu.

Auch die Voraussetzungen für eine Einweisung gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch sind Brosch zufolge nicht gegeben. Die Situation, die zum Handeln geführt hat, sei einmalig, sagte der Gutachter. „Vater, Bruder, Stiefmutter kommen nicht mehr wieder, für andere Menschen war er nie gefährlich - in dem Sinn ist keine Gefahr für die Zukunft aus seiner Persönlichkeit heraus zu erwarten“, befand der Sachverständige.

Der Angeklagte sei „grundsätzlich psychiatrisch gesund“. Die Neurofibromatose, unter der der 55-Jährige leidet, hätte „keine negativen Auswirkungen auf das organische Funktionieren“. Zu Wucherungen im Gehirn habe die Erkrankung beim Angeklagten nicht geführt.

Das Schlusswort am ersten Verhandlungstag hatte der Beschuldigte selbst. „Die Erregung war nicht kontrollierbar“, sagte er, die Handlungen seien über ihn „hereingebrochen wie ein Unglück - ich konnte es nicht verhindern“.

Der 55-Jährige hatte im Rahmen seiner Befragung Einblicke in sein persönliches Verhältnis zu den Getöteten und berichtete auch vom Streit im Kaminzimmer des Anwesens. „Es ist mir zu viel geworden“, darum habe er sich gedacht, er müsse „alle drei erschießen“, erinnerte sich der Angeklagte.

Zuvor waren als Zeugen u.a. die 62 Jahre alte Haushälterin des Anwesens sowie die Ehefrau des 55-Jährigen einvernommen worden. Für die Haushälterin begann der 13. Dezember als „Tag wie jeder andere“. Die Vorbereitungen für das Essen sowie auf die Familienweihnachtsfeier, die am Nachmittag stattfinden sollte, standen im Fokus. Die Ruhe sollte allerdings nicht lange währen. Als sie mit dem Geschirrabwaschen beschäftigt war, sei der Beschuldigte außer Atem zu ihr in das Erdgeschoß gekommen. „Er war erschöpft und hat geschluchzt“, sagte die Frau, die rund 30 Jahre im Anwesen tätig war. Sie habe zuerst an ein gesundheitliches Problem beim Angeklagten gedacht und gefragt: „Geht es Ihnen so schlecht?“ Die Antwort lautete: „Nein, es sind alle tot.“

Sie habe in der Folge Polizei und Rettung alarmiert, den Tatort im ersten Stock aber nicht betreten. „Ich danke dem lieben Gott, dass ich in das Zimmer nicht mehr hineingegangen bin, sondern gleich hinausgelaufen bin“, sagte die 62-Jährige. Innerfamiliär habe es davor durchaus Spannungen gegeben, berichtete die Haushälterin - obwohl sie in Summe „wenig Einblick“ gehabt haben will.

Bei der Zeugeneinvernahme der Ehefrau des Angeklagten stand der Charakter ihres Schwiegervaters im Vordergrund. Der 92-Jährige sei nach außen hin zwar charmant, privat jedoch „ein großer Familientyrann und Despot“ gewesen. Die 51-Jährige verglich die Situation ihres Mannes mit einem Druckkochtopf. „Da schürt einer immer und fühlt sich gut dabei“, sagte sie in Hinblick auf das Verhalten des Vaters des Beschuldigten. Der Behälter sei letztlich am 13. Dezember explodiert. „Ich bin überzeugt davon, wenn ich dort im Kaminzimmer gewesen wäre, dann hätte dieser Druckkochtopf mich auch erwischt“, mutmaßte die Frau. ́

Die Prozess wird am Freitag um 8.30 Uhr fortgesetzt. Nach den Schlussvorträgen der Staatsanwältin und des Verteidigers werden sich die Geschworenen zur Beratung zurückziehen. Ein Urteil wird für den Nachmittag erwartet.