Radsport-Rausch in Belgien: Festschmaus für den „Kannibalen“
50 Jahre Merckx-Triumph, 100 Jahre Gelbes Trikot: Vor dem heutigen Start der 106. Tour de France in Brüssel stand vieles im Zeichen der Rad-Legende – Frankreich-Rundfahrt 2019 mit vielen Unbekannten.
Brüssel –Die ganz große Bühne gehörte Eddy Merckx. Vor dem Start in die 106. Tour de France in Brüssel befindet sich Belgien in einem kollektiven Radsport-Rausch. 75.000 Fans waren am Donnerstag schon zur Teampräsentation in der Innenstadt auf den Beinen und feierten die Radsport-Legende, zu deren Ehren die Tour in diesem Jahr in Belgien beginnt. Mit lautstarken „Eddy, Eddy“-Sprechchören würdigten sie den fünfmaligen Gewinner, der ganz ungewollt den eigentlichen Hauptprotagonisten um Vorjahressieger Geraint Thomas und 175 weiteren Fahrern schon vor dem Start heute Samstag (ab 12 Uhr/Eurosport) ordentlich die Show stahl.
50 Jahre erster Tour-Triumph von Merckx, 100 Jahre Gelbes Trikot beim wichtigsten Radrennen der Welt: Der Tour-Auftakt steht ganz im Zeichen des belgischen Nationalhelden und des wohl berühmtesten Sport-Trikots der Welt, das Merckx besonders gerne und besonders häufig trug. Freudig sprach der 74-Jährige über seinen ersten Tour-Triumph als „größten Sieg“ seiner Karriere. Empfangen wurde der „Kannibale“, wie er aufgrund seiner Unersättlichkeit genannt wurde, einst 1969 auf dem Grand Place, wo er auch diesmal wieder gefeiert wurde.
Als Titelverteidiger Thomas, die weiteren Mitfavoriten um Egan Bernal und das rotweißrote Quartett Marco Haller, Patrick Konrad, Gregor Mühlberger und Lukas Pöstlberger nach der 100-minütigen Show längst von der Bildfläche verschwunden waren, wurde Merckx immer noch von Mikrofon zu Mikrofon gereicht und war in einer Menschentraube kaum zu sehen. Das alles passierte unter enormer Polizeipräsenz. Rund 29.000 Polizisten und Rettungskräfte werden während der drei Tour-Wochen im Einsatz sein.
Wenn heute die prestigeträchtige Auftaktetappe von Brüssel über die Mauer von Geraardsbergen und Charleroi zurück in die belgische Hauptstadt ansteht, geht es auch um die Frage, wer das sonntägige Teamzeitfahren im Gelben Trikot bestreiten darf.
Wer in drei Wochen nach 3480 Kilometern in Gelb auf der Pariser Prachtstraße Champs-Élysées einfahren wird, scheint offen wie selten zuvor. Nach dem Ausfall des schwer gestürzten Vierfachsiegers Chris Froome (durfte am Donnerstag das Krankenhaus verlassen) und des Vorjahreszweiten Tom Dumoulin ist vieles möglich. Auch, weil Titelverteidiger Geraint Thomas seiner Form hinterherstrampelt. Viele Experten setzen auf Egan Bernal. Der 22 Jahre alte Kolumbianer ist eigentlich Edelhelfer von Ineos-Kapitän Thomas, verfügt aber gerade in den Bergen über exzellente Fähigkeiten. „Das ist nicht mehr die Zukunft, sondern schon die Gegenwart“, betonte der deutsche Routinier Tony Martin. Und auch Merckx tippt auf Bernal. Na dann ... (m.i., APA)